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May 26, 2011

“Hair” – Stephen Lloyd im Interview

Evelyn Gruber-Fischnaller

„Hair“ ist das erfolgreichste US-amerikanische Musical überhaupt. Es gilt als Inbegriff der Lebenslust und Sinnlichkeit und formuliert in seinem Kern eine von Rassismus und Gewalt befreite Gesellschaft. „Hair“ wird zur Zeit im Stadtteater Bozen aufgeführt, Franz hat den musikalischen Leiter Stephen Lloyd zum Interview gebeten.

Was sind die Besonderheiten des Musicals, worum geht es, was sind die zentralen Themen?

„Hair“ ist eine Geschichte, die Ende der 60er Jahre spielt, geschichtlicher Hintergrund ist also der Vietnamkrieg, die Hippie-Bewegung. Einige der Akzente sind dabei offensichtlich, andere wiederum weniger. Wichtig ist sicher der heftige Generationenkonflikt als Thema, der sich ergeben hat zwischen den jungen Menschen dieser Zeit und ihren Eltern. Die Eltern hatten ja den zweiten Weltkrieg erlebt und somit ganz andere Erfahrungen gemacht. Die Kinder wiederum wollten ausbrechen aus dieser Zeit der Einschränkungen, sie wollten frei leben, anders sein, experimentieren. Es geht auch ganz stark um Jugendideale, wer bin ich, wo will ich hin, wem fühle ich mich verbunden, den Freunden oder der Herkunftsfamilie? Es ist aber nicht eine Schwarz-Weiß-Thematik, denn auch innerhalb des „Stammes“, dieser Freundesgruppe, gibt es Schwierigkeiten, Eifersüchteleien. Auch beim Thema Krieg und Frieden zieht sich das durch: die jungen Leute stellen ganz stark die Frage nach der Legitimität – gibt es den gerechten Krieg? Das ist ein ganz starker innerer Konflikt, vor allem bei der Figur Claude.

Welche Herausforderungen stellten sich aus musikalischer Sicht?

Die Besetzung der Sänger und Band ist immer wieder spannend. Wir haben ja in Südtirol eine kleine feine Gruppe von Musicaldarstellern, die sehr talentiert sind. Wir machen jedes Jahr Auditionen, je nach Stück, für „Hair“ hatten wir über 500 Bewerbungen. Es gehört zur Philosophie des Theaters auch Leute von außen zu holen. Bei der Band hingegen haben wir die fantastische Situation, dass wir 99% mit Südtiroler Musikern besetzen können, tolle Leute.

Es ist dann für jedes Stück eine Entscheidung zusammen mit Regisseur und Choreograph, wie man das Stück inszeniert. Von „Hair“ wurde 2009 in NY eine neue Version vorgestellt, ich habe sie dann in London das erste Mal gesehen. Das Schöne daran ist, dass sehr viele Sachen von der ursprünglichen Version übernommen wurden, der Geist des ursprünglichen Stückes wurde wiederbelebt, back to the roots sozusagen. Es ist aber nicht nur, die Musik, die man vor Augen hat und man spielt es einfach. Das Stück lebt jeden Abend, immer ein bisschen anders, die Musiker und Darsteller haben ihre Freiheit und nutzen sie aus, das macht alles sehr lebendig.

Welche ist Ihre persönliche Lieblingsszene, Ihr Lieblingssong?

Die Lieder gehören alle zusammen, sie gehören immer im Kontext, um verstanden zu werden. Ich liebe die Lieder mit poetischen Inhalten, die symphonische Art, banal, skurill, fantasievoll. Ich mag „Aquarius“, „White Boys“ und „Black Boys“ der Aussage wegen, ein wirklich gewagtes Lied in der damaligen Zeit. „Where do I go“ gefällt mir auch, es spiegelt sehr gut die innere Zerrissenheit der Jugend wieder.

Was ist die Besonderheit der Vereinigten Bühnen Bozen und Südtirols aus kultureller Sicht?

In europäischen Sinn ist es ein kleines Theater, aber in Sachen Musical meiner Meinung nach brauchen wir den Vergleich mit den führenden gehobenen Theatern nicht zu scheuen. Wir gelten als Geheimtipp. Was in Südtirol fehlt sind echte Fachkritiker, das ist hier zweitrangig. Das heißt aber nicht dass wir uns nicht hinterfragen: gerade deshalb weil wir immer alles im Nachhinein analysieren und kritisch gegenüberstellen sind wir über die letzten Jahre gewachsen.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag von Stephen Lloyd aus?

Ich habe eine Frau und drei Kinder, deshalb fängt der Tag um 6:30 Uhr an. Jeder Tag ist bei mir aber anders, weil eben während des Jahres der Fokus wechselt. Momentan bin ich auf das VBB-Musical konzentriert, bis April war es das Jugendsinfonieorchester Südtirol, bis Februar die Arbeit am Pädagogischen Gymnasium Bruneck (Musical „La bohème“) bis Dezember („Der Kleine Prinz“ bei den VBB). Bis Juni arbeite ich jetzt am Uni-Chor-Konzert der Uni Bozen und mit meinen Kompositionsschüler der Uni. Im Sommer werde ich die Musik zu „Die kleine Hexe“ schreiben und einen Gesangskurs für den Südtiroler Chorverband leiten.

Fotos: Hermann Maria Gasser, Vereinigte Bühnen Bozen

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