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March 11, 2011
Eine Frage der Ordnung – Evelyn Senfter im Interview
Kunigunde Weissenegger
Die Fotografin Evelyn Senfter taucht in menschliche Gewohnheitswelten ein und zeigt wie Räume, Gegenstände und Ordnungssysteme ineinander greifen. Losgelöst von räumlichen Ordnungssystemen gehen Objekte untereinander neue Allianzen ein und werden aus neuen Perspektiven sichtbar.
Was ist Ordnung? – Dieser Fragestellung hat sich Evelyn Senfter fotografisch gewidmet und öffnet Schränke, gewährt Einblicke, löst Systeme, ordnet neu, räumt aus. Am morgigen Samstag eröffnet sie im Kunstraum Café Mitterhofer in Innichen ihre Ausstellung Aus|Räumen. Ein Interview mit der Fotokünstlerin:
Aus|Räumen ist der Titel deiner Ausstellung. Wie kam es dazu?
Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich mich intensiv mit den Themen Objekte, Räume und persönliche Ordnungssysteme auseinandergesetzt. Die Ordnung der Dinge hat mich immer schon fasziniert, damals fiel mir auf, dass wir – mal mehr, mal weniger – ständig damit beschäftigt sind, Dinge herumzuräumen und in bestehende Ordnungssysteme einzuordnen, oder neue Kriterien und Kategorien für derartige Systeme zu schaffen, die wir dann wieder befüllen.
Was bedeutet für dich Ordnung? Und Unordnung? Gewohnheit?
Meiner Meinung nach spielt die Persönlichkeit eines Menschen, seine Erziehung, seine Erfahrungen und Gewohnheiten eine entscheidende Rolle. Daraus ergibt sich dann die „persönliche Ordnung“. Nicht die Ordnung ist die Gewohnheit, sondern die Gewohnheiten bedingen die Ordnung.
Darüber was Ordnung für mich bedeutet, habe ich mir zu Beginn meiner Auseinandersetzung mit dem Thema folgende Gedanken gemacht: Am liebsten ordne ich: Gegenstände, Bilder, Fotos, Gedanken, Worte und Werke. Den ganzen Tag bin ich damit beschäftigt, zu ordnen, umzuräumen, zu organisieren, in ein System einzufüllen, das ich mir vorher ausgedacht habe. Um mein geschäftiges Treiben zu rechtfertigen, antworte ich auf neugierige Fragen: „Ich miste aus.“ Dabei sind derartige Entrümpelungsaktionen nur ein Alibi, da der Papierkorb nachher meist nicht viel weniger enthält als vorher, in manchen Fällen sogar mehr, nämlich dann, wenn der öffentliche Altpapierconainer so voll ist, dass man die Titel der Magazine, die ganz obenauf liegen, lesen und bei Interesse auch noch vor Ihrer Endbestimmung – der Altpapierverbrennung oder dem Schredder – retten kann. Zufrieden bin ich am Abend, wenn ich mein Hab und Gut in einer bestimmmten Ordnung zurücklasse, sodass jeder halbwegs vernünftige Mensch sich in meine Lage versetzen könnte, um sich im schlimmsten Falle meinem Nachlass auf einem klar ersichtlichen Weg anzunähern. Tags darauf erwache ich, den Kopf voller erquickender Ideen, was ich an diesem Tage um-, auf- und verräumen kann, welches meiner unzähligen Ordnugssysteme es zu perfektionieren gilt, welche zusammengefasst werden können zu einem größeren komplexeren, überschaubareren System.
Wie kann die Ordnung und/oder Unordnung, beispielsweise einer Küche, auf das Leben übertragen werden? – Ist dies überhaupt möglich?
Sehr gute Frage. : ) Das Spannende ist genau diese Übertragung der Ordnung von der Küche auf das Leben. Was ich in der Küche vor mir habe, abstrahieren und auf andere Bereiche anwenden. Genau das war auch der Kernpunkt der Arbeit. Das Leben erklären, in dem ich ein Küchenkästchen öffne, sozusagen.
Eigentlich geht es beim Thema Ordnung um Kriterien und Kategorien, die definiert werden müssen, damit man überhaupt etwas ordnen kann. Wir sind umgeben von Ordnungssystemen und mehr noch, wir sind eingeordnet in solche. Ob ich nun die Lade in der Küche öffne und praktischerweise Messer neben Gabeln finde, weil ich beides für denselben Arbeitsvorgang brauche, oder ob ich mich im Straßennetz einer Großstadt zurecht finde, beidem liegt ein Ordnungssystem zu Grunde, das sich jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt überlegt hat.
Kann oder soll alles im Leben in Kategorien gefasst werden?
Ja, ich denke, man könnte, wenn man wollte, alles in Kategorien fassen, jedes Ding und jede Handlung. Auf das Leben bezogen: Wenn wir etwas Neues entdecken oder uns einer neuen Aufgabe widmen, dann ist das kategorisches Neuland. Wir tendieren dazu, unsere Erfahrungen zu bewerten und zuzuordnen. Sobald etwas zur Gewohnheit wird, haben wir es in unserem Alltag integriert. Beispiel: Unser Tagesablauf ist geordnet und eingeteilt, nach der Art der Tätigkeit, nach Dringlichkeit oder nach Menschen, mit denen wir Zeit verbringen.
Nein, es sollte nicht alles in Kategorien gefasst werden, im Gegenteil: Es wäre eine große Bereicherung und Befreiung, wenn wir uns von unseren selbstauferlegten Ordnungen, zumindest manchmal, lösen könnten, das würde uns neue Horizonte eröffnen.
Warum hast du als Ausdrucksform die Fotografie gewählt?
Weil es meiner Meinung nach das wirksamste Mittel war, um all das, was ich als „Gedankenwolke“ in meinem Kopf hatte, verständlich darzustellen. Bereits in der Recherche-Phase habe ich immer wieder Foto-Serien von Gegenständen oder Situationen gemacht, der Fotoapparat war mein Skizzenblock. Viele Zusammenhänge wurden mir erst klar, als ich die Fotos in eine Ordnung gebracht hatte.
Was bedeutet es für dich, Momentaufnahmen des Lebens festzuhalten?
Dieser Punkt ist eher zweitrangig in dieser Arbeit, obwohl er hier natürlich eine gewisse dokumentarische Rolle spielt: Welche Gegenstände befinden sich Anfang des 21. Jahrhunderts in der Küche eines Einfamilienhauses, das in den 1970er Jahren erbaut wurde? Viele Reaktionen auf die Bilder waren: “ah, das hatten wir auch…”, “…genau das gleiche Muster…”
Woran arbeitest du derzeit?
Mein zentrales Thema ist die Ordnung. Auch beruflich. Ich erstelle Konzepte, zum Beispiel für Webseiten. Auch hier geht es darum, Kategorien festzulegen und Kriterien zu definieren, Informationen zusammenzufassen und sie in nachvollziehbare Ordnungssysteme zu füttern.
Evelyn Senfter ist 1976 in Lienz in Osttirol geboren. Von 1998 bis 2000 besucht sie das College für Innenraumgestaltung und Möbelbau in Mödling bei Wien. 2004 bis 2008 studiert sie an der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität in Bozen. 2008 Diplomarbeit Aus|Räumen(Auseinandersetzung mit den Themen: Objekte, Räume, persönliche Ordnungssysteme). In den Wintersemestern 2008/09 und 2009/10 Assistentin im Projekt-Warm-up an der Fakultät für Design und Künste. 2010 Assistentin des Projektes Designatelier L_100, einer Zusammenarbeit zwischen der Fakultät für Design und Künste und dem Parkhotel Laurin in Bozen. 2010 Aus|Räumen im Rahmen der Ausstellung Junge Fotografie in Südtirol im Foto-Forum in Bozen. Evelyn Senfter lebt und arbeitet zur Zeit in Linz.
AUS|RÄUMEN
EVELYN SENFTER
Ausstellungseröffnung
12. März 2011, h 19.00
Kunstraum Café Mitterhofer, Innichen
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