Culture + Arts > Performing Arts

January 23, 2019

Wem kann ich vertrauen?

Sophie Huber

„Verdammt, ich bin wie Geld, ich bin alles und überall und keiner kann meinen Wert einschätzen. Und dauernd laufe ich Gefahr, komplett wertlos zu werden über Nacht, dauernd laufe ich Gefahr, komplett einzubrechen.“

Regisseurin Michaela Senn hat uns mehr über das Stück „TRUST“ von Falk Richter gesprochen. Die Produktion von tON/NOt wird noch zwei Mal (am 25. und 26. Jänner 2019) im Brux in Innsbruck aufgeführt. 

Zunächst die Frage der Fragen: Worum geht es in „TRUST“?

TRUST entstand als direkte Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise 2008 und wurde von Falk Richter gemeinsam mit der Choreographin Anouk van Dijk entwickelt. Es kreist mittels verschiedenster Texte – wie der Titel vermuten lässt – um verschiedenste Aspekt des Vertrauens bzw. des Vertrauensverlustes, den die Gesellschaft im Zuge dieser Krise erfahren musste. Dieser Verlust schlug sich nicht nur auf finanzieller, sondern vor allem auch auf existenzieller und persönlicher Ebene nieder. Mit verschiedensten Textqualitäten – die von recht konventionellen Dialogen, über Teile in Form von stream of consciousness bis hin zu Songtexten oder Tagebucheinträgen reichen – wurde das Thema des Vertrauensverlustes umkreist. Dabei werden die damit einhergehenden Phänomene wie Erschöpfung, Ratlosigkeit, Depression usw. ebenso thematisiert, wie die Frage nach Möglichkeiten des Protestes, Möglichkeiten, seiner Wut eine Form zu geben. Obgleich dieses Stück nun bereits zehn Jahre alt ist, hat sich an den Marktmechanismen und den Vorgängen im Finanzbereich wenig geändert. Ständig ist die Rede davon, dass wir wieder auf eine kurz bevorstehende neue Krise, einen noch größeren Crash zurasen. Die Ratlosigkeit und die Unfähigkeit, konkrete Handlungen zu setzen, erscheinen dem einzelnen Individuum immer noch ungeheuer schwierig. Schließlich reicht es bei weitem nicht – wie es im Text heißt – sich bei Prada ein Che-Guevara-T-Shirt zu kaufen und damit voll wütend durch die Straßen zu laufen. 

Was war dir als Regisseurin bei der Umsetzung wichtig? Worin unterscheidet sich diese Produktion von den anderen?

Ich habe versucht, den Fokus auf den Text und die Textkörper, also die agierenden Darsteller*innen-Körper zu legen. Daher habe ich choreographische Unterstützung bei Eva Müller gesucht und gefunden. Diese Körper sprechen nicht nur, sie arbeiten sich auch immerwährend ab, und dieses Abarbeiten, diese körperliche Verausgabung läuft dabei sehr oft ins Leere.
Außerdem war es mir wichtig, und ich denke, dieser Text verlangt das auch, keine eindeutig zuschreibbaren Rollen bzw. Figuren zu entwickeln, welche die Schauspieler*innen durchs Stück tragen.  
Damit spiegelt sich auch die Realität des Finanzmarktes auf einer Metaebene wider: Innerhalb von kürzesten Zeitabständen werden völlig andere Realitäten geschaffen bzw. ausgelöst. Die Schnelligkeit dieser Wechsel führt manchmal dazu, dass ein Körper noch in einer Realität verhaften bleibt, während der andere Körper die neue Ausgangslage bereits aufgesogen hat und in der neuen Realität agieren kann. 

Das Stück wurde jetzt ja bereits drei Mal aufgeführt. Wie reagieren die ZuschauerInnen?

Die Reaktionen des Publikums sind naturgemäß sehr unterschiedlich.

Nun eine eher persönliche Frage:  Was bedeutet „trust“, also Vertrauen, für dich?

Vertrauen ist ein grundlegendes Gefühl, das einem Sicherheit gibt oder geben kann. Die gegebene Vertrauensbasis, egal ob diese sich auf sich selbst (im Sinne von Selbstvertrauen), auf andere Personen oder so etwas wie Banken, die Regierung oder Ähnliches beziehen, beeinflusst das Handeln des Menschen sehr stark. Eine vollkommene Verunsicherung hat natürlich auch manchmal langwierigere Folgen. Auch der Köper ist in seinem Agieren verunsichert, muss sich erneut seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten bewusst werden und demensprechend retardiert sein Vermögen, eine Handlung zu vollziehen oder eine Entscheidung treffen zu können. 

Warum, glaubst du, sollte man dieses Stück gesehen haben?

Ich finde es einerseits eine gute Möglichkeit, disziplinübergreifendes Theater zu sehen, auch Zeug*in eines für unsere Kreise etwas experimentelleren Formats zu sein. Auch werden Gedanken aufgeworfen, die unser alltägliches Handeln in Frage stellen und den Kapitalismus, die Macht des Geldes und die doch sehr fragwürdigen Entscheidungen diverser Regierungen klar in Frage stellen und noch einmal in den Mittelpunkt rücken. Auch wenn nichts wirklich Neues erzählt wird, so scheinen „wir“ aus diesem Crash von 2008 ziemlich wenig gelernt zu haben. Die Auslöser (oder die Schuldigen) wurden rehabilitiert, finden sich erneut in Machtpositionen wieder, agieren wie eh und je und Finanzströme fließen in immer noch schnelleren Zeiteinheiten und wir sehen zu.

Foto: tON/NOt  

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.