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November 19, 2018

11 years cool_schrank: Interview mit Creative Director und Fotograf Philip Neufeldt

Verena Spechtenhauser

Vor 11 Jahren, genau am 27. September 2007, begann in Bozen das ganze zwei Jahre anhaltende Abenteuer des unabhängigen, gedruckten Magazins cool_schrank – ein Creative Hub, das Mode, Design, Kunst und Zeitgeist in Südtirol – und darüber hinaus – zum Thema machte.

cool_schrank ist in gewisser Hinsicht der Vorgänger von franzmagazine, ein erster ausschlaggebender Treffpunkt, an dem sich kreative Locals und Nicht-Locals zusammenfanden, um sich – zuerst auf Papier und dann digital – auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln, weiterzuentwickeln und schlussendlich der kreativen Plattform, auf der ihr euch gerade befindet, Leben einzuhauchen. Genau deshalb nimmt unsere Redaktion dieses Jubiläum zum Anlass für eine Serie, weil es für uns ein Meilenstein war, nämlich der Beginn unserer redaktionellen Einheit, der Anfangspunkt einer Reise, auf der wir Schritt für Schritt nach dem Motto „learning by doing“ und jenseits von konventionellen Rastern und Schemata die Basis unserer Arbeit gelernt haben, einer Arbeit, der wir auch 11 Jahre später mit großer Leidenschaft nachgehen. Ein Grund zum Feiern, jetzt, 11 (nicht 10) Jahre später, weil es sich jetzt gut und rund und richtig anfühlt, und jenen kreativen, visionären und vor allem auch mutigen Personen, die sich mit uns zusammen auf diese wunderbar verrückte Reise namens cool_schrank begeben haben, 11 Fragen zu stellen, sie in eine Zeitmaschine zu setzen, die sie 11 Jahre in die Vergangenheit, in die Zukunft und wieder zurück katapultiert. Im Kopf die Erinnerung an diese für uns alle so wichtige Zeit, eine wertvolle Erinnerung, die uns hoffentlich noch mindestens 11 weitere Jahre begleiten wird.

Diesmal sprechen wir mit Philip Neufeldt, der für cool_schrank sein erstes professionelles Foto-Shooting realisierte.

Hallo Philip! Wer bist du? Was hast du vor elf Jahren gemacht? Was verbindet dich mit cool_schrank? 

Vor elf Jahren war ich gerade seit einem Jahr in Paris, hatte einen sehr schlecht bezahlten Job als Grafiker bei einem Pariser Modelabel und entwickelte zeitgleich eine immer stärkere Passion für Fotografie, die mich von meinem kreativ frustrierenden Alltag befreite. Alexander Erlacher, den ich aus meinem Designstudium an der Universität in Bozen kannte, schrieb mir damals von seiner Arbeit als Photo Director bei cool_schrank und brachte mich in Kontakt mit Anna Quinz. Anna hat mir angeboten ein Shooting für cool_schrank zum Thema „Bike“ zu machen. Dies war mein erstes Shooting für ein Magazin. Meine damalige Freundin war Stylistin und ein Freund, der Fotograf war, empfahl mir einen Starbucks Kellner, der gerne Model werden würde und Fotos brauchte. In einem 2nd-Hand-Shop haben wir für vielleicht 20 € einen Anzug, ein paar Schuhe und Accessoires gekauft, ich hatte verschiedene Orte ausgemacht, an denen ich shooten wollte und los ging’s!

Und nun, elf Jahre danach, was machst du?

Heute bin ich Creative Director für zwei Kosmetikmarken bei Estée Lauder Companies Europe und kümmere mich um die gesamte Kommunikation dieser Marken für die Regionen Europa, Mittlerer Osten, Afrika, Russland und Indien. Mein Job besteht darin zu garantieren, dass die Marken einheitlich erkennbar und lokal relevant sind, zum Beispiel durch lokale Kampagnen mit lokalen Persönlichkeiten oder einem Store Design, das den Ansprüchen des Marktes entspricht. Auch meine Passion, die Fotografie, habe ich zum Beruf  gemacht. Nachdem ich eine Zeit lang Fotografen am Set assistiert habe, habe ich selbst Testshoots für Modelagenturen gemacht, später dann Editorials und  Kampagnen für verschiedene Marken; bis vor kurzem hatte ich auch einen Agenten, der mich bei Werbekampagnen vertreten hat. Heute verbringe ich weniger Zeit mit kommerziellen Arbeiten, sondern arbeite an persönlichen Projekten

Welches Projekt hast du im letzten Jahrzehnt besonders gut gefunden? – ein eigenes und eines von jemand anderem, wo du dir wünschen würdest, es wäre auf deinem Mist gewachsen.

Ich habe eine Modestrecke für ein Männermagazin mit dem Titel “Casting” gemacht. Es war während der Men’s Fashion Week in Paris, ich hatte ein kleines Studio bei mir im Wohnzimmer aufgebaut und alle Topmodels zwischen ihren Schauen bei mir fotografiert. Es war sehr intensiv, da alle wenig Zeit hatten, aber aus diesen kurzen Momenten sind einige sehr spannende Porträts entstanden. 
Ein spannendes Projekt, das mich sehr inspiriert hat, ist das Buch Approximate Joy vom Fotografen Christopher Anderson. Christopher ist ein unglaublicher Fotograf, den ich bei der Fotografiska in Stockholm kennen gelernt habe, wo wir beide in der Jury waren. In seinem Buch finden sich unglaublich starke Nahaufnahmen von Einwohnern der chinesischen Stadt Shenzen, der Kontext ist verschwommen und könnte überall sein, aber die Ausdrücke, die Lichter, die Reflexionen bilden ein Porträt unserer Zeit, das mich sehr berührt hat. 

Und wo siehst du dich in elf Jahren? Realistisch und idealerweise?

Ich bin heute 35, in elf Jahren wäre ich 46, wow! Das fühlt sich alt an – hahaha ! Ich hoffe, dass ich meine persönlichen Fotoprojekte, die ich seit einiger Zeit vor mir herschiebe, endlich konkretisieren werde. Vielleicht eines Tages in Form einer Ausstellung oder eines Buchs. Ich bin mit meiner jetzigen Arbeit sehr zufrieden, aber sie ist extrem arbeits- und zeitintensiv. Am Liebsten wäre ich in elf Jahren ein Creative Consultant, der ein Team von Kreativen betreut, um internationale Lösungen im Designbereich zu finden, natürlich halbtags, um den Rest des Tages Zeit für persönliche Fotoprojekte, Reportagen und Freunde und Familie zu haben.   

Weiter in der Zeitreise, elf Jahre vor cool_schrank: Was wolltest du werden? Hast du’s geschafft? Und wo würdest du dich heute sonst gut sehen? 

Elf Jahre vor cool_schrank hatte ich von alldem wenig Ahnung. Ich glaube ich wollte damals Architekt werden, ich war fasziniert von Architekten wie Philip Johnson, Tadao Ando, Frank Lloyd Wright … Aber ich war miserabel in der Schule und hatte wenig Hoffnung auf irgendeinen Erfolg. Ich bin sehr glücklich da zu sein, wo ich jetzt bin, vorher war ich sieben Jahre lang Art und Creative Director bei verschiedenen Modemagazinen in Paris. Ich habe meine Arbeit geliebt, aber leider geht es der ganzen Branche sehr schlecht. Die Werbekunden werden immer weniger und die Marken, die übrig bleiben, diktieren den Magazinen, was und wie ihre Marken präsentiert werden sollen. Da bleibt leider immer weniger Raum für innovative und kreative Ideen, von den Budgetkürzungen für Fotoprojekte ganz zu schweigen … 

Was oder wer inspiriert dich und deine Arbeit?

Ich werde von allem Möglichen inspiriert. Ich habe das Glück, in Paris von einer Vielzahl von internationalen Einflüssen umgeben zu sein, und muss nur durch die Stadt gehen, um inspiriert zu sein. Es gibt immer neue Ausstellungen, Filme, Bars, Restaurants … Viele meiner Freunde sind auch Fotografen oder Designer und ich bin mit Sicherheit auch von deren Arbeit inspiriert.  

Dein Motto?

“Rather ask for forgiveness than permission.“ 

Wie lädst du deine Batterien auf?

Urlaub in Südfrankreich oder Italien. Ich brauche die Sonne, das Meer und gutes Essen mit guten Freunden. 

Was hast du während der Zeit mit cool_schrank gelernt?

Wie schön es ist, seine Fotos gedruckt zu sehen! Ich war sicher ein Albtraum, da ich nicht nur Fotograf, sondern auch Designer bin und meine eigenen Layouts vorgeschlagen habe. Später als ich selber Art Director war, fand ich diese Fotografen, die mich nicht in Ruhe meine Arbeit machen lassen wollten, auch immer sehr anstrengend und penibel ; )

Welchen Tipp hast du für alle Abenteuerlustigen, die sich in die kreative Branche wagen?

Einfach Anfangen! Jetzt sofort! Eine Liste  machen und sich daran halten. Klein anfangen, aber anfangen. Ich habe erst alle meine Freunde und Familienangehörigen fotografiert, nebenbei am Wochenende allen Fotografen assistiert, die mich gelassen haben, und andauernd Fotos gemacht, obwohl ich nebenbei einen Vollzeitjob hatte. Ich fand damals alles sehr toll und heute ist keines dieser Bilder mehr in meinem Portfolio. Man sollte keine Angst haben, dass man nicht sofort ein bestimmtes Level erreicht. Je erfahrener man wird, umso mehr Selbstbewusstsein entwickelt man und umso einfacher wird es. Ich habe auch ziemlich früh angefangen Bücher und Magazine von Fotografen zu sammeln, die ich gut fand, und mich davon inspirieren lassen: vom Licht, der Stimmung, der Pose …  wenn man lernt diese zu „lesen“, kann man sehr viel davon lernen. 

Was findet sich immer in deinem Kühlschrank und was in deinem Kleiderschrank?

Im Kühlschrank eine Flasche Champagner. Wer weiß, wann es wieder etwas zu feiern gibt. Im Kleiderschrank momentan sehr viele  Jeans und Pullover in Grautönen.  

Foto: Philip Neufeldt

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