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November 8, 2018

Pandora Reloaded: Sarah Decristoforo im Interview

Maria Oberrauch

Sarah Decristoforo versteht es, den Betrachter ganz subtil dorthin zu lenken, wo sie ihn haben will. Wenn ich ihre Arbeiten betrachte, kommt es mir so vor, als hätte die Künstlerin ihr Thema beim Schopf gepackt, ins rechte Licht gerückt und zum Stillhalten aufgefordert. Ein Teil davon ist aktuell im Taxispalais zu sehen, dort läuft bis Ende Januar 2019 die Ausstellung SEX, eine Gruppenausstellung mit Fabiana Faleiros, Alex Martinis Roe, Elisabeth von Samsonow und Ashley Hans Scheirl. Im Rahmen der Premierentage 2018 spricht Sarah Decristoforo am 9. November um 17 H im Taxispalais bei einem Artist Talk über ihre Arbeit. Vorab auch mit franzmagazine. 

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Sexualität, Krieg und Natur werden in deinen Arbeiten in Muster und Verkleidungen gepackt, die komplizierte Thematiken häufig spielerisch und plakativ ad absurdum führen und ihre Ungeheuerlichkeit gerade darin offenbaren. Wie erarbeitest du dir deine Zugangsweise? Wovon wird der künstlerische Prozess definiert?

Der künstlerische Prozess definiert sich durch meine Umgebung. Es ist die Auseinandersetzung mit Filmen, Bildern Texten und Symbolsprache aus Alltagskultur und Massenmedien. Das Analysieren und Rekontextualisieren kultureller Ausdrucksformen definieren diesen künstlerischen Prozess. 

Deine Arbeit der letzten Jahre fällt schwerpunktmäßig in die Riege „Female Art“. Wie kam es dazu? Wie sieht die Zukunft der Female Art aus?

Ich als Frau befasse mich natürlich mit meiner weiblichen Identität und den überlieferten Geschlechterkonventionen. Bei der Bezeichnung „Female Art“ frage ich mich allerdings immer, inwieweit es eine Beziehung zwischen Kunst und Geschlecht gibt. Kann man bei einer Arbeit sagen: Das hat sicher eine Frau gemacht? Gibt es einen männlichen Stil und ist der anders als der weibliche Stil?
Generell denke ich, dass sich  Kunst, die sich mit Geschlechteridentitäten auseinandersetzt, über die neuen Rollen und neuen Werte definieren wird: Die stetigen Neujustierungen von Geschlechterrollen führen immer wieder zu Verschiebungen in jeglichen sozialen Bereichen. Nicht nur die Rollenbilder, auch die Geschlechteridentitäten verschwimmen.

 Premierentage_Portrait_Decristoforo  

Du erarbeitest sexuelle Klischees und ihre Wirkung seit einigen Jahren immer wieder installativ und audiovisuell. Das Überlagern von Charakteren und Figuren bis zu Abstraktion oder Verschmelzung spielt dabei häufig eine Rolle. Ist Abstraktion in gewisser Weise auch der Versuch, Distanz einzulagern, zu einem Thema, das Distanz im Grunde nicht möglich macht? Kann dem Thema Sex das Voyeuristische genommen werden?

Das Voyeuristische kann dem Thema Sex und auch generell uns Menschen nicht genommen werden – es ist ein Grundtrieb. Über die Abstraktion analysiere und verlagere ich die Schaulust, um eine andere Sensibilität oder ein anderes Begehren auszulösen. Die „Distanz“ ist also nur Vordergründig vorhanden. – Das bedachtsame Auseinandersetzen meiner Arbeiten provoziert eine Unvermittelbarkeit und eine Direktheit, die im Detail steckt.

Kann das Überlagern von Figuren als Ausdruck einer in der Geschichte sich ständig wiederholenden Rollenzuschreibung der Frau gelesen werden?

Es kommt darauf an, welche Figuren überlagert werden. In meiner Arbeit Pan-Door-Ahhhh ist es definitiv so, dass die drei Frauenfiguren zahlreiche Querverbindungen aufweisen. Diese Querverbindungen haben alle etwas mit tradierten Rollenbildern zu tun – zudem sind es drei männliche Konzeptionen, die den Frauenfiguren (Pandora, Dora und Lolita) zugrunde liegen.

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Wer ist Pan-door-aaaah?

Pan-Door-aaaah ist die Fusion aus Pandora (aus der griechischen Mythologie, die Überbringerin allen Übels), Dora (der Fall Dora aus Sigmund Freuds Fallstudie über Hysterie als Folge von weiblichen perversen Neigungen) und Lolita (die verführerische Kindfrau, die die männlichen Triebe provoziert).

Geht Sex ohne Rot?

UNDENKBAR!

Sarah Decristoforo, Jahrgang 1983, studierte Kunstgeschichte in Innsbruck und an der Kunstakademie in Linz. Neben zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen und Publikationen erhielt sie 2015 ein Forschungsstipendium  am Kinsey Institute in Indiana und diverse österreichische Kunstpreise. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Linz.

 

Photo Credits: Thomas Scheid, Sarah Decristoforo

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