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November 8, 2018

Nichts wirklich Vergleichbares: WEI SRAUM Designforum Tirol

Verena Spechtenhauser

Vom 8. bis 10. November 2018 finden in Innsbruck, Schwaz und Hall wieder die Premierentage statt und durchfluten heuer bereits zum 20. Mal den urbanen Tiroler Raum mit zeitgenössischer Kultur. Mit dabei bei diesem Vermittlungsprojekt zwischen Kulturinstitutionen und Publikum ist auch das Innsbrucker Kompetenz- und Vermittlungszentrum für Design in Tirol WEI SRAUM, eine, wie wir finden, unglaublich spannende Initiative, deren Arbeit franz schon seit längerem mit großem Interesse verfolgt. Bester Grund, um bei Nicola Weber, Teil des WEI SRAUM-Teams und verantwortlich für Programm, Organisation und Presse, endlich mehr über die Tiroler Plattform zu erfahren:

Wer ist WEI SRAUM und was macht ihr genau?

Wir sehen uns als Vermittlungsort und Vernetzungsplattform für alles, was mit Grafik und Design zu tun hat. Jährlich kuratieren wir ein dichtes Programm, bestehend aus Vorträgen, Workshops, Ausstellungen, Diskussionen, Werkgesprächen, Formaten im  Stadtraum und vielem mehr, mit dem wir Inputs aus der internationalen GestalterInnenszene nach Innsbruck holen und die Positionen toller lokaler Leute zeigen wollen, um hier eine Diskussion über anspruchsvolle Kreativarbeit anzuregen. Außerdem begleiten wir auch in beratender Funktion Designentwicklungsprozesse, zum Beispiel in öffentlichen Institutionen, und setzen uns für eine bessere Wettbewerbskultur ein. Auf diesem Weg versuchen wir dazu anzuregen, sich die Latte hoch zu legen und (Grafik-)Design nicht als “banale Werbung” zu verstehen, sondern als kulturellen Beitrag zur Gesellschaft.

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Was steckt hinter eurem Namen?

Der “Weissraum” in der Grafik ist die nicht bedruckte Freifläche zwischen Text und Bildern, so zum Beispiel beim Buchlayout. Also das,wo Nichts steht – im übertragenen Sinne: da, wo Platz für eigene Zugänge, Unerwartetes, Neues … ist. Die Auslassung des zweiten “S” in unserem Namen weist auch auf diese zu füllende Leerstelle hin.

Euch gibt es seit mittlerweile 12 Jahren. Was waren 2006 die Beweggründe dieses Projekt in Innsbruck zu starten?

Ja, es gibt uns wirklich schon einige Jahre, zuerst als “WEI SRAUM Forum für visuelle Gestaltung Innsbruck” und seit etwa zwei Jahren mit der kleinen Namensänderung “WEI SRAUM. Designforum Tirol”, weil wir nun Teil dieses österreichweiten Netzwerks sind. Ausschlaggebend für die Gruppe der GründerInnen – ein paar engagierter GrafikdesignerInnen aus Tirol – war wohl, dass sie diese schon genannte “kulturelle Bedeutung” von visueller Gestaltung stärker öffentlich ins Licht rücken wollten. Quasi “Geburtshelfer” war damals das Tiroler Architekturforum aut, in dessen Räumlichkeiten wir mit den ersten Vorträgen unter dem Titel “typografics” begonnen haben. Es ging aber auch um Austausch, um Input, um neue Impulse, um das “Beackern” eines Feldes, das in Tirol noch nicht so präsent war, unter anderem auch, weil wir hier keine Kunst- oder Design-Universiät haben. Es herrschte vor 12 Jahren also eine ziemliche Brache in Hinsicht auf Design.

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Was hat sich seitdem im Bereich Design in Innsbruck und Tirol verändert? Wie steht es um das Bewusstsein dieses Bereichs in der Gesellschaft?

Ich denke, wir haben inzwischen eine ganze Anzahl an wirklich guten GrafikdesignerInnen hier in Tirol – allerdings bleiben immer noch viele gute Leute zum Beispiel an ihren Studienorten. Dieses Potenzial geht uns hier ab. Insgesamt hat sich Innsbruck zu einer kulturell sehr lebendigen Stadt entwickelt, wobei die freie Szene immer noch bei weitem nicht die Anerkennung (und daher auch nicht die finanzielle Unterstützung) hat, die sie bräuchte und verdient. Produktdesign ist immer noch ein weisser Fleck in Tirol, da gibt es nur ganz wenige.

Und wie habt ihr euch in dieser Zeit verändert? 

Wir haben uns thematisch enorm erweitert. Anfangs war Typografie das Kernthema, inzwischen machen wir auch Vorträge und Workshops zu Fotografie, Illustration, Motion Design, Informationsdesign, Storytelling, Handlettering, Siebdruck und vielem mehr. Außerdem sind wir mit dem Einzug in unsere eigenen Räume, dem WEI SRAUM Forum, ein großes Stück wahrnehmbarer und organisatorisch professioneller geworden. Vorher war das Großteil ehrenamtliche Arbeit, jetzt haben wir ein kleines, aber fixes Organisationsteam und können viel mehr Programm machen als früher.

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Welches sind die Themen zeitgemäßer visueller Kommunikation und Design, mit denen ihr euch momentan beschäftigt? Eure Schwerpunkte?

Eine Frage zur Zeit ist vielleicht: Wie sehr braucht es in Zukunft immer noch mehr Leute, die am Computer coole Dinge designen und immer noch mehr Folder, Plakate und Websites produzieren? Klar, hier ist ein Qualitätsanspruch wichtig! Aber dann gibt es noch den Anspruch, einen – sagen wir – “gesellschaftlichen Beitrag” mit der eigenen Arbeit zu leisten. Ob das jetzt “Social Design” heißt oder anders – wir nennen es lieber “Design of Change” oder “Design matters” – ist egal, aber das ist ein Bereich, der uns derzeit über die bisherigen Themen hinaus interessiert. Da kann es um das Hinterfragen der Produktions- und Wiederverwertungskreisläufe von Designprodukten gehen oder um das verständliche grafische “Erklären” globaler Zusammenhänge oder um Open-Source-Projekte, die intelligente Dinge zugänglicher machen. 

Wie wichtig ist eure Arbeit für die Tiroler Kreativszene und warum? 

Wir sind inzwischen so etwas wie ein Knotenpunkt und eine Anlaufstelle für die Kreativszene geworden, bei uns laufen viele Fäden zusammen und das bringt allen etwas. WEI SRAUM bemüht sich auch, zusammen mit Partnern, um die bessere Wahrnehmbarkeit der Kreativszene in Tirol und hier sind wir an einigen spannenden Projekten dran. Und natürlich halten wir auch die Impulse durch unsere Vorträge und das sonstige Programm für wichtig, um über den Tiroler Tellerrand hinauszuschauen – für GestalterInnen und auch für UnternehmerInnen, die es ja als aufgeschlossene und affine Auftraggeber unbedingt braucht. 

Wo holt ihr euch neue Anregungen? 

Eigentlich gibt es nichts wirklich Vergleichbares – das sagt man uns zumindest oft. Die österreichischen Designforen in Wien, Graz und Dornbirn machen haben ganz ähnliche Anliegen und wir kooperieren in vielerlei Hinsicht, aber unsere Gründungsgeschichte ist eine andere. Vergleichbar sind wir vielleicht eher mit Vermittlungsinstitutionen wie den Architekturforen, die sich auch als Plattform für Interessierte und Lobby für Kreative sehen.

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Im Moment laufen in Innsbruck die Premierentage. Wie beteiligt sich WEI SRAUM an diesem Vermittlungsprojekt?

Wir zeigen die Ausstellung “20 Jahre Premierentage visuell” (zu sehen vom 8. bis 29.11.2018 im WEI SRAUMforum), in der wir sozusagen die “grafische Familiengeschichte” dieses Kulturformats aufzeigen. Zu sehen sind alle Plakate der gesamten Zeit. Diese Serie ist einerseits eine Zeitreise durch zwei Jahrzehnte Innsbrucker Kommunikationsdesign und andererseits zeigt sie, dass die Plakate der Premierentage immer Experimentierflächen für lokale KünstlerInnen und GrafikerInnen waren. Außerdem bieten wir am 9. November um 16 H den “Typowalk Premierentage” an, einen Typographischen Spaziergang durch Innsbruck mit Markus Weithas, bei dem die Welt der Zeichen und Schriften des öffentlichen Raums genauer unter die Lupe genommen werden.

Eure größte Herausforderung in den letzten 12 Jahren? 

Immer wieder erneut die finanziellen Mittel für unser Tun aufzustellen und mit den knappen Ressourcen einerseits und dem hohen Anspruch andererseits zu Rande zu kommen. Und ein wenig auch, die Gräben zwischen Kultur/Kunst und der angewandten Gestaltung, die auch mit Wirtschaft zu tun hat, zuzuschütten. Wir finden nämlich, das muss und darf kein Widerspruch sein.

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Und was ist für 2019 in Planung?

Wir planen übers Jahr vier Ausstellungen, eine davon zum Beispiel über Grafik, die im Laufe der Geschichte für Protest- und Veränderungsbewegungen wichtig war. Es wird wieder sechs bis acht Vorträge geben, mehrere Typowalks, bei denen wir Schriften im Stadtraum thematisieren, und vieles mehr. Generell entwickeln wir gerade ein Jahresthema, das wir dann sehr breit auslegen wollen, um dazu durchaus auch Leute aus gestaltungsferneren Genres  – ForscherInnen, PhilosphInnen, SoziologInnen – einzuladen. Unser Programm geht im Januar online. 

 

 Fotos: Thomas Schrott 

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