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October 3, 2018

Na.Tour Konferenz: Wenn sich Wirtschaft und Kunst zum Plaudern treffen

Eva Rottensteiner

Eigentlich sollten wir weniger mit dem Auto fahren, weniger mit Flieger verreisen und zum Vegetarismus konvertieren. Es wäre nachhaltiger kein Plastik mehr zu kaufen, sorgfältiger Müll zu trennen und faire Mode zu tragen. So würde Mutter Erde vielleicht länger überleben und unsere Kinder und Kindeskinder hätten auch noch etwas von unserem Planeten. Wäre, hätte, würde, sollte. Doch neun StudentInnen der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in der Nähe von Bonn haben keine Lust mehr im Konjunktiv zu reden und wollen die Welt verbessern. Oder zumindest den Tourismus in Südtirol. Ziel ist es bei der Na.Tour Konferenz dieses Wochenende (5.–7. Oktober) in St. Vigil im Enneberg verschiedene Köpfe und Perspektiven zum Diskutieren, Kombinieren und Konsens-Finden zusammenkommen zu lassen.

Unzählige Touristen und Touristinnen überschwemmen jährlich die gesamte Alpenregion und lassen zwar so einiges an Geld liegen, aber Müll eben auch. Der Tourismus zählt in Südtirol zu den wichtigsten Sparten der Wirtschaft. Dreiviertel der Einnahmen unserer Region verdanken wir neben Handel und Verkehr eben dem Tourismus. Durch den Ausbau von Infrastruktur im Alpenraum wurden den Gastgewerblern ab den 60er Jahren buchstäblich die Türen eingerannt. Innerhalb von 20 Jahren vervierfachte sich die Zahl der Ankünfte. Schön und gut – die Kassa der reichen Hoteliers klingeln glücklich vor sich hin. Doch das alpine Ökosystem steckt das nicht so leicht weg. Hier noch eine neue Hotelkette, dort noch ein Skigebiet mit Parkplatz, Kinderwelt, Restaurant, Après-Ski-Hütte und Schneeschuhshop. Fertig ist das Winterwunderdilemma. Durch den ständigen Bau neuer Hotels, Skipisten werden Wälder abgeholzt und Flächen verbaut. Unmengen von Wasser werden in Form von Kunstschnee verpulverisiert und in die Weltgeschichte verstreut, damit die Gästezahl auch in schneearmen Wintersaisonen stimmt. Autokolonnen auf die Mendel oder den Karerpass sorgen für erhöhte Lärm- und Abgaswerte. Durch die zunehmende Bodenversiegelung wird die Bodenstruktur beeinflusst und das Risiko für Überflutungen und Muren steigt. Außerhalb der Saisonen entwickeln sich viele Orte zu Geisterstädten, wo man kaum mal ein offenes Restaurant für eine Sonntagabend-Pizza findet.

Na.Tour Konferenz (1)

Es herrscht Aufklärungsbedarf und es braucht unbedingt einen Dialog, auch zwischen den Disziplinen. Und genau den organisieren die Studis in Form einer dreitägigen Konferenz zum Nachhaltigen Tourismus. Verschiedene Köpfe an einem Tisch zu vereinen, von der Idee waren schon die alten Griechen begeistert. Konferenzen gibt es viele, aber diese hier ist anders. Ganz in der Tradition ihrer Universität erweitern sie den Dialog mit Kultur. Ganz genau, Kultur. Das hat schon fast Pionierstatus. Es geht darum andere, kulturelle Ansätze mit in die Diskussion einzubringen, Schnittstellen zu finden und auch andere Leute anzusprechen. Sie haben Philosophen, Soziologen und Forscher eingeladen und veranstalten eine Kunstausstellung mit KünstlerInnen aus Südtirol und dem Trentino: Paul Sebastian Feichter, Hubert Kostner, Treefisters, Alfred Tavella und Guido Tavella. Hoteliers, die im Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie arbeiten, erklären, wie man sozialer und gerechter wirtschaftet, und in Workshops wird erarbeitet, wie man auch als Einzelperson zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann. Auftakt der Konferenz bildet die Vernissage der Kunstausstellung Altavia Garage am 4.10., die wirklich in einer Garage stattfindet und auch während der Konferenztage geöffnet ist. Auf 1.402 Höhenmetern kann man sprichwörtlich durch den Kunstschnee von fünf Südtiroler KünstlerInnen wandern. Auch für Einsteiger geeignet!

Wir finden: cooles Projekt, weil junge Leute aktiv für eine bessere Zukunft eintreten und noch dazu das Image der StudentInnen in unserer Gesellschaft aufbessern. Wenn gutbürgerlicher Steuerzahler an Studenten denkt, denkt er (oder sie) oft an versoffene, nichtsnutzige Langzeitstudierende, die in ihren WG’s vor sich hin gammeln, Tageslicht meiden und Joints frühstücken. Doch dass der Schein nur Schein ist, beweisen die OrganisatorInnen der Konferenz. Noemi und Linda sind der Südtiroler Teil in der Gruppe und ihnen ist es wichtig etwas in ihrer Heimat zu verändern und so zum Wandel beizutragen. Noemi stellt dafür sogar das Hotel ihrer Eltern in St. Vigil für die gesamte Konferenz zur Verfügung. „Es wäre sehr groß gedacht, aber wir könnten uns auch vorstellen, das jedes Jahr zu machen. Sodass sich ein Netzwerk entwickelt, wie eine Art LAB, und man weiter an Impulsen arbeiten kann“, erklärt Priska, eine andere Studentin des Projektes. Linda ist überzeugt, dass der Kulturfaktor in ihrem Projekt fundamental ist: „Ich glaube, dass man durch die Künste eine ganz andere Sichtweise hineinbringt und den Dialog zwischen unterschiedlichen Leuten fördert. Nachhaltigkeit ist ein Prozess und es wäre gut, wenn dieser Prozess durch die Kultur passiert.“

Na.Tour Konferenz (1)

Inspiriert wurde die Konferenz übrigens durch einen Vortrag über Resonanz des deutschen Soziologen Hartmut Rosa in der Hochschule der StudentInnen. Dieser wird bei der Vernissage am Donnerstag in einem Vortrag erläutern, was es mit dieser Resonanz auf sich hat und was das mit unserer Motivation zu tun hat, auf Berge zu klettern oder Museen zu besuchen.

Infos über Tickets und genaues Programm gibt’s hier!
Der Eintritt zur Vernissage ist für alle, auch Nicht-Konferenz-TeilnehmerInnen frei zugänglich und beruht auf Spendenbasis.

Photo Credits: Na.Tour Konferenz + Antonia Krüger

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