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September 7, 2018

Valentina Bagnis: Wenn der Rhythmus ins Blut geht

Text Nadine Pardatscher
Alle die, die einen Versuch versuchen. Alle, die aus der Reihe tanzen, aber taktvoll! Jene, die ihre eigene Zukunft basteln und knipsen, um auf das aufmerksam zu machen, was ihnen wichtig ist. Andere schminken anstatt sich seinen eigenen Traum abzuschminken und dabei gleichzeitig in der Alltagsrolle bleiben. Leidenschaftlich begeistert und imstande, andere von der eigenen Leidenschaft zu begeistern. In dieser Serie werden einige dieser – jungen – Südtiroler KünstlerInnen, MusikerInnen, JungunternehmerInnen, SportlerInnen und TänzerInnen vorgestellt: MUT, NUR MUT #01 – Valentina Bagnis

 

Für lange Zeit hält sie Schritt, besucht nach der Grund- und Mittelschule am Ritten die Oberschule FOS in Meran. Anschließend arbeitet sie ein Jahr lang als Physiklehrerin im Labor und beschließt ein Astronomie-Studium in Wien zu beginnen. Sie tanzt zuerst im Takt und dann aus der Reihe. Valentina Bagnis beendet frühzeitig ihre Ausbildung, kehrt ein Jahr nach Italien zurück und gibt eine Fixanstellung als Professorin an einer Oberschule auf, um ihrem Traum nach LA zu folgen. „Es kommt nicht aufs Alter, auf die Größe, Statur oder Herkunft an. Du bist du. Ein Individuum und Teil einer Gruppe.“ Hiphop bedeutet ihr viel, sehr viel. Das war nicht zu übersehen, denn sie bekommt Gänsehaut, wenn sie von ihrer Leidenschaft schwärmt. Heute hält sie selbst Kurse und macht das, was sie am besten und liebsten macht: sie tanzt.

Kurze Vorstellrunde, bitte!

Ich bin in Brixen geboren, auf dem Ritten aufgewachsen und habe in Meran maturiert. Ein toller Physiklehrer konnte mich mit seiner Art und Weise für das Fach faszinieren und nicht zuletzt habe ich auch dank ihm beschlossen, nach Wien zu gehen, um Astronomie zu studieren … nebenher war ich noch berufstätig. In diesen zwei Jahren wurden sich Arbeit und Studium dennoch leider nicht einig.

Aber das Studium hat dir gefallen?

Ja, doch, aber die Stadt war nicht meine und, obwohl mir das Studium sehr gut gefallen hat, musste ich mich morgens aus dem Bett zwingen. Schließlich habe ich dann den Punkt erreicht, wo ich mich fragte: „soll’s das sein?“ Mich zwingen, etwas zu machen, wofür ich nicht brenne? Seit Jahren schon war ich ein riesengroßer Fan von der Millenium Dance Complex in LA und habe jeden zweiten Tag nach neuen Videos gesucht und nachgetanzt. Wieso sollte ich da nicht selbst nach LA?

Wie kamst du genau auf die Millenium Dance Complex?

Naja, eigentlich weiß ich das gar nicht mehr genau … es war reiner Zufall – ein Video im Netz, auf Youtube. Obwohl ich schon immer viel getanzt habe, war es nicht so intensiv, wie das vergangene Jahr. Typisch für eine Rittnerin ging ich im Winter eislaufen, habe Kunstturnen bei Frau Fink gemacht und bei ihrer Tochter Tanzstunden genommen.

Hiphop?

Für mein Verständnis war es Modern Dance mit Hiphop-Elementen.

Wie hast du dich auf die Ausbildung in LA vorbereitet?

Nachdem ich mein Studium abgebrochen hatte, habe ich beschlossen, ein Jahr nach Hause zu kommen, mich nochmals als Professorin zu versuchen und mein Erspartes in die Ausbildung zu investieren. Zugegeben, mir hat das Unterrichten immer sehr gut gefallen, aber als Mathe- und Physik-Professorin war ich nicht der Held der SchülerInnen. [lacht]  In dieser Zeit habe ich mich aber auch physisch und mental auf die Ausbildung vorbereitet. Mit einer Privatlehrerin habe ich mit einem Intensivtraining begonnen, zur Verbesserung von Flexibilität und Stärkung meines Körpers mit dem Pole Dance. Dann habe ich den Flug gebucht und bin los.

Valentina Bagnis2

Wie sah die Aufnahme für die Tanzschule aus?

Ein Bewerbungsschreiben und ein Bewerbungsvideo waren notwendig für die Aufnahme.

Erzähl uns bitte etwas über die Ausbildung!

Das Programm der Tanzschule war heftig, echt heftig … krass! Fünf Stunden Training am Tag! Eigentlich hatte ich mich ja körperlich gut vorbereitet – Fitness, Pole Dance und Training zuhause – und doch war mein Körper in den ersten Tagen und Wochen unter Schock. Das hatte ich mir so nicht erwartet. Vor dem eigentlichen Tanzen wurden in der Aufwärmphase Körperspannung, Krafttraining und ein gutes Körpergefühl trainiert. Wenn dann endlich alles weh tat, folgten 40 Sekunden Choreographie, die nach 20 Minuten sitzen mussten. Hiphop wird in den Staaten viel komplexer getanzt als in den europäischen Ländern.

Was bedeutet Hiphop für dich?

Das möchte ich eigentlich in einer rein mentalen Weise beschreiben: Tanzen an sich ist das Gefühl, sich frei zu fühlen. Durch Choreographie und Bewegung wird dieses Gefühl verstärkt. Aber was mich daran wirklich fasziniert, ist, was jeder oder jede daraus macht. Ich gebe dir einen Schritt vor, der kann nach rechts oder nach links gehen; zu diesem Basisschritt kommt dann aber deine Persönlichkeit dazu. Das ist das Tiefpsychologische dabei! In LA lernte ich das auch so. Während die Beine einem fixen Schrittmuster folgten, konnte ich die Arme frei bewegen. Dabei wird eine Einheit gebildet und trotzdem tanzt jedes Individuum für sich. In den drei Monaten Hardcore-Training habe ich auch mitbekommen, was es heißt, sich beim Tanzen im Spiegel anzusehen. Wortwörtlich wird dir ein Spiegel vorgehalten. Es geht darum, imstande zu sein, sich so anzunehmen, wie man ist. Im Schnitt trauen sich viele Personen nicht, sich anzusehen, sprich sich anzunehmen. Das hat auch ganz viel mit Präsenz zu tun – bin ich im Reinen mit mir?

Dein persönliches Vorbild?

Es gibt zwei Personen, mit denen ich getanzt und bei denen ich Privatstunden genommen habe: Das war Michele Soulchild – 1,50m groß, aber wenn er den Raum betritt, versprüht er Energie für 80. Phil Wright ist ein ebenso wahnsinnig begabter Choreograf und energetischer Tänzer, aber vor allem auch jemand, der das Psychologische weitergibt.

Was hast du für die Zukunft geplant?

Ich verfolge den Traum vom eigenen Tanzstudio in Bozen. Dabei wäre mir vor allem der  Austausch wichtig. Das heißt, dass monatlich nationale und zwei mal pro Jahr internationale TänzerInnen und ChoreographInnen zum Unterrichten in die Schule kommen. Ein nächstes Ziel, das ich mir gesteckt habe ist, eine Gruppe von Oberschülern zu trainieren und für einen Wettbewerb vorzubereiten. Im Moment werde ich aber noch nichts erzwingen, weil mir die Freiheit nach LA zurückzukehren sehr wichtig ist. Dieses Jahr möchte ich jene Kontakte, die ich in LA geknüpft habe, pflegen, und wenn möglich noch einige Privatstunden nehmen, um mich selbst weiterzubilden.

Wieso möchtest du in Südtirol bleiben?

Uns geht es hier sehr gut und ich fühle mich richtig wohl. Hier habe ich mir mein soziales Netzwerk aufgebaut, welches ich nicht vermissen möchte. Während in den letzten Jahren der Trend verfolgt wurde, im Ausland zu studieren und im Ausland zu bleiben, haben heute viele junge Leute Bock darauf, etwas Neues in Südtirol zu starten. Ich denke, dass Hiphop, so komplex wie wie er in den Staaten getanzt wird, eine totale Marktlücke ist.

Fotos: Valentina Bagnis

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