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May 16, 2018

Überwucherung der Form: “Wege zum Museum”, die Dritte

Katja Ebner

Das Museum in Bruneck verfolgt mit der Initiative Wege zum Museum die Absicht, das Museum für die BürgerInnen von Bruneck wieder attraktiv zu machen. Die bisherigen Veranstaltungen haben Interessierte, vor allem auch junge Leute angezogen. Auch die regionalen KünstlerInnen haben wiederum den Weg ins Museum gefunden.  Wege zum Museum startete am 27. April in die dritte Runde und wird bis zum 20. Mai unterschiedlichste Performances anbieten. Was sich seit dem Start dieser Veranstaltung vor drei Jahren so alles getan hat und was uns heuer erwartet, verrät das „Wege zum Museum“-Team im Interview.

„Wege zum Museum“ startet im heurigen Jahr in die dritte Runde. Sind die Erwartungen, die ihr in diese Initiative gesetzt habt, in den letzten Jahren erfüllt worden?

Wir denken schon, vor allem wenn man bedenkt, dass wir vieles quasi zwischen Tür und Angel organisieren. Wir würden meinen, dass die Wege zum Museum dabei sind, zur Marke zu werden. Der Begriff stammt ja aus einem alten Wettbewerb, den der Architekt Klaus Hellweger und die Künstlerin Annemarie Laner gewonnen haben. Ihr Ansatz war konzeptionell. Es ging darum, mittels einer Betonplatte mit den eingelassenen Ziffern „01“ das Museum gewissermaßen ins Bewusstsein zur rufen. Diesen Ansatz haben wir aufgenommen und es ist uns, so denken wir, sicherlich gelungen, durch die Zusammenarbeit mit KünstlerInnen, Kulturtreibenden und der Bevölkerung das Museum in die Stadt zu tragen. Hört man sich die Reaktionen an, dann sind wir zufrieden.

Was war entscheidend dafür, dass der Neustart so gut geglückt ist bzw. was war Auschlag gebend, dass die Initiative von den Menschen so gut aufgenommen wurde?

Einmal war es sicherlich der Effekt des Neuen. Zweitens, das bilden wir uns zumindest ein, sind es unsere Personen, zumal wir und die, die in unserer Gruppe mithelfen, im Kulturleben der Stadt verwurzelt sind. Dann spielte sicherlich der Generationenausgleich eine Rolle. Die Mehrheit unserer Gruppe ist unter 30. Am wichtigsten und am langfristigsten ist jedoch die partizipative Zusammenarbeit mit anderen, seien es Vereine, KünstlerInnen, ArchitektInnen oder Menschen und Jugendliche, die nicht einmal wissen, dass es in Bruneck ein Stadtmuseum gibt, und wenn sie es wissen, noch nie dort waren. Wir suchen uns alljährlich ein Thema aus. Im ersten Jahr war es die Befragung der Institution Museum, im zweiten waren es die sozialen Räume und heuer ist es die Überwucherung der Form. Abhängig vom jeweiligen Thema wählen wir die Leute aus, mit denen wir gemeinsam das Thema bearbeiten oder denen wir die Verantwortung zur Ausformulierung des jeweiligen Themas übergeben. Das Künstlerische spielt zwar eine große, aber keine ausschließliche Rolle. So versuchen wir möglichst viele und auch immer neue Menschen zu erreichen und das Museum in der Stadt und der Region zu verorten. Wir hoffen, es bleibt weiterhin spannend und interessant.

Glaubt ihr, dass es euch gelungen ist, das Profil des Museums neu zu formen?

Vielleicht nicht neu zu formen, aber zu erweitern und zu ergänzen. Bei der ersten Ausgabe, nämlich der Befragung der Institution, hat Barbara Tavella eine systemische Aufstellung organisiert. Zunächst wurden das Museum, die Stadt und die Kunst als Figuren bestimmt. Im Laufe des Prozesses bildete sich eine immer größere Nähe zwischen den Figuren heraus, die letztlich in der Bewegungslosigkeit endete. Erst durch die Einführung einer weiteren Figur, die irgendwann „der Rest“ getauft wurde, konnte die Patt-Situation aufgebrochen werden, ohne die anderen konventionellen Figuren zu zerschlagen. Wir kümmern uns um diesen Rest.

Am 27. April startete das diesjährige Projekt von „Wege zum Museum“. Dabei soll die Überwucherung der Form aufgenommen, dargestellt, besetzt und angeboten werden. Wie können wir uns die Umsetzung vorstellen?

Zunächst gibt es eine Ausstellung mit Fotoarbeiten, Objekten und Videos zum Thema, die bis zum 20. Mai 2018 läuft. Dabei geht es um das Verhältnis zwischen der reinen Form als Metapher der Beherrschung, Kalkulierbarkeit und Lebensfeindlichkeit auf der einen Seite und dem Leben selbst auf der anderen. Die Beiträge reichen von schöner Koexistenz, z. B. bei Doris Gabrielli, Heinz Innerhofer und teils auch bei Sissa Micheli, über die Belagerung der Form durch das Leben bei Michael Pezzei und bei Theo Stammer, die allmähliche Überdeckung des Lebens, bis es in der Zweidimensionalität verschwindet, im Video von Stefanie Aichner bis zur Vision eines apokalyptischen Unortes. Am 27. Mai werden anlässlich der Architekturtage textile Objekte von Maria Walcher für eine Performance von Katharina Schwärzer aus dem Museum entnommen. Im Herbst wird gemeinsam mit SchülerInnen der deutschen und italienischen Oberschule und MigrantInnen für die Brunecker Integrationstage „Unsere Welt“ mit Barbara Tavella und Heike Ostendorp die Stadtperformance „Räume-um-räumen“ entwickelt, die am 15. September 2018 aufgeführt wird. Letztlich sind wir dabei, gemeinsam mit der Stadt Bruneck ein Konzept Stadtmöblierung zu erarbeiten, das 2019 umgesetzt werden soll. ArchitektInnen, KünstlerInnen und DesignerInnen werden eingeladen, zu definierten Standpunkten und Zonen einen performativen Ort zu entwerfen, der einlädt und Leben zulässt.

Die Stadt Bruneck als heterotoper Ort, inszeniert durch die Künstlergruppe Ligna. Worauf dürfen wir uns freuen?

Die Hamburger Künstlergruppe Ligna mit Ole Frahm, Michael Hüners und Torsten Michaelsen legen ihre Stadtperformance „Die abenteuerliche und phantastische Reise der Brunecker BürgerInnen in die Oberwelt“ neu auf, zumal man schon im Herbst 2017 die Gelegenheit hatte, an der Performance teilzunehmen. Konzipiert als Untersuchung des sozialen Raumes Oberstadt ist sie der Übergang zum heurigen Thema. Der Raum, d. h. die Form, ist vorhanden, doch zwingt sie nicht, schreibt nicht vor, sondern lädt zur Teilnahme ein. In Behauptungen und Gegenbehauptungen wird ein komplexes Gedankenspiel erzeugt, das keine Antworten bereithält. Der Raum lässt das Leben zu, indem er befragt und ausgehorcht wird. Die Befehle in der Performance sind keine von der Form ausgehenden Zwänge, sondern eher ein Hineinhorchen, um einen Pakt mit ihr zu schließen.

Foto: Wege zum Museum

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