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April 13, 2018

Wenn die Synapsen andocken: Gedichte von Frieda Paris sollen Erinnerungen schaffen

Katja Ebner

Frieda Paris: frisch, dynamisch und poetisch. Die junge Autorin studiert seit 2015 Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien und fasziniert uns immer wieder mit ihren Gedichten. Am Samstag, 14.04.2018 eröffnet GAP Glurns Art Point im Museion in Bozen die Ausstellungsreihe „Die (De-)Konstruktion eines Raumes in drei Akten“ oder kürzer gesagt „1+1=3“. Dort wird auch Frieda Paris anwesend sein und eine poetische Performance abhalten. Wie, wann und wo sie Inspiration für ihre Gedichte findet, erzählt Frieda im Interview.

Wie kam es dazu, dass du angefangen hast poetische Texte zu schreiben? Erinnerst du dich noch an deinen ersten Text?

Ich erinnere mich in jedem Fall an den Moment, nach dem ich meinen ersten Text benannt habe und mir gesagt habe, dies ist ein Gedicht:
Ich saß in Süditalien auf einer Dachterrasse, es war heiß, trocken, flirrend, nicht laut, aber es kam mir laut vor, was ich da sah, Dächer, die ich nicht kannte. Alle Details sprangen mich an wie eine Katze aus einem dieser Hinterhofvorhänge. Mein Denken wurde mit der Wucht einer Hubschrauberlandung von den Sinnen übernommen. Sprache setzte gleichzeitig aus und ein. Das letztliche Gedicht war weniger spektakulär als der Moment. Es ging im Gedicht eigentlich nur darum, wie man hier, also dort, wo ich war, die Pasta zubereitete. e basta: la pasta lautet die letzte Zeile.

In deinen Texten spielst du mit den Worten. Was gefällt dir genau an Wortspielen?

Also die Wortspiele sind eigentlich etwas, das ich nicht plane, im Idealfall. Erstmal spielen die Worte mit einem, wie damals auf dem Dach. Es schreibt mich eine Situation, ein Detail (z. B. hing kürzlich ein Nagel in einer Wand, an diesem Nagel hatte sich ein Band verhangen). Da bleibe ich stehen, wo andere weiter gehen. Ich übersehe dafür anderes. Dann weiß ich, also spüre ich, ich muss sammeln, das ist meist der erste Schritt. Stehen bleiben, statt mein Essen zu fotografieren, schreibe ich etwas auf. Mindestens so mühsam wie ein Selfie für’s Umfeld. Einmal schrieb ich:

wer gestern mein Kuss war
ist heute eine Zeile

Was mir an Gedichten gefällt, ist, den Moment nochmals herzustellen, begehbar zu machen, über meine eigene Erfahrung hinaus. Sprache löst das Dokument hin zu Fiktion. Ich kann ja nicht wirklich über den schreiben, der gestern mein Kuss war. Also kann ich schon, aber das ist dann ein anderes Genre.

„das Maßband eintauschen, der Körper vermisst. Rückwärts gehen, Orientierungen neu organisieren. Guten Morgen. Fragen im Raum? nachgehen, den Raum aufwecken, ihr seid ja auch da. Verstecken zählt nicht! (…)“ Wie kommst du darauf, solche Zeilen zu verfassen? Was inspiriert dich dazu?

… Später, manchmal viel später, schöpfe ich aus einem Archiv, von dem ich nicht weiß, was, aber dass etwas darin ist, und fange an zu montieren. Manchmal geht’s auch direkt vom Kopf, Körper (es ist nicht immer Denken der Auslöser) in den PC, ich bin da nicht so, dass alles handgeschrieben sein muss. Meine Gedichte wachsen aus einer wilden Mischung an Dokumenten und Docs. Wenn ich das Überdendächern-Gedicht lese, bin ich sofort wieder dort, ich kann die Luft greifen, auf’s Flimmern zurückgreifen. Erinnern. Davon ausgehend weiterspinnen. Wenn’s dann bei den LeserInnen flimmert, sich eine Erinnerung mit meinem Gedicht trifft, die Synapsen andocken, ist das, was ein Gedicht ausmacht, eingetreten: dass es räumlich geworden ist, irgendwie hat das Gedicht dann so etwas wie einen Puls. Es steht zwischen mir und den Lesenden, dieses Dazwischen nimmt immer einen anderen Abstand ein. Auch die jeweilige Distanz von mir – zum Mond – und zum Rezipient, diese Verbindung kann auch Scheitern. Von beiden Seiten. Ich stelle mir gerade vor, mein Text rennt davon, dann steh’n wir da, die LeserIn(nnen) und ich, but the moon is gone.Frieda Paris auf der Bühne

In der heutigen Zeit ist es oft schwer, sich mit moderner Poesie und Literatur Gehör zu verschaffen. Was glaubst du, fasziniert die Menschen an deinen Texten?

Das mit dem Gehör ist so eine Sache, es gibt Plattformen, nur schöpfen die sich oft aus den Platten und Formen derer, die Lyrik machen. Die Schreibenden organisieren Lesereihen, Magazine, gründen Verlage, die Nachfrage kommt dann meist aus einem Angebot, das sich in den Raum bringt. Vielleicht verhält sich das wie mit dem Schreiben, das Gedicht, das sich in den Raum bringt. Dass ich heute eingeladen worden bin zu performen, ist ein wunderbares Beispiel für die Gehörverschaffung. Ein Anruf von Elisa Barison, die am anderen Ende der Leitung flimmerte, sie hätte da eine Idee, meine Synapsen haben sofort angedockt. Es ist keine einseitige Beziehung, ich kann mit meinen Gedichten nicht alleine bleiben, sonst werde ich verrückt. Ich würde sagen, das Gedicht pulsiert eben erst, wenn’s nicht mehr alleine ist, aber es muss auch alleine atmen können. Ich kann jeden Betrieb nur ermuntern, immer auch andere Sparten einzuladen. Ach, eigentlich wünsche ich uns allen eine schöne Mischung an Geldern, Orten, keine Einschränkungen die Förderungen betreffend und dass sich eben nicht nur die, die es ohnehin machen, vernetzen.

GAP Glurns Art Point eröffnet am Samstag,14.4. im Museion in Bozen die Ausstellungsreihe “1+1=3“. Auf Einladung der Kuratorin Elisa Barison wirst du dort eine poetische Performance abhalten. Worauf können wir uns freuen?

Oh, ich habe soeben meinen Koffer gepackt mit Dingen, die ich nicht verrate. Dass Performance immer auch davon lebt, wer oder was den Raum konstituiert, darin liegt der Reiz. Ich weiß nie zur Gänze, was mich erwartet, und bin mindestens genauso aufgeregt wie ihr.

Foto (c): (1) Nane Fiedler; (2) Mario Steigerwald

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