Music

February 28, 2018

Bozens Musik-Cocktail: Polemici und ihr erstes Album

Florian Rabatscher

Es ist ein ganz normaler, stinklangweiliger Mittwoch Abend in Bozen. Mir stellt sich die Frage: Was könnte ich heute noch Großartiges unternehmen? Und prompt schwinge ich mich auf mein klappriges Damenrad und schwebe darauf an einen Ort, der meistens von Klängen erfüllt ist. Klingt schön, nicht wahr? Mein Gott, was für ein beschissen poetischer Schwachsinn. Das Poetische überlasse ich lieber dem Sänger – Entschuldigung – Rapper Tachi der Bozner Band „Polemici“, vor deren Proberaum ich mich schließlich einfinde. Einer von mehreren Räumen in diesem Gebäude, alle schön nebeneinander verteilt. Ich stehe im Gang, ziehe an meiner Zigarette und sehe viele bekannte Gesichter, die hier umher poltern: ein Gefühl wie im Inneren eines Bienenstocks. Es gibt sie also vielleicht doch, diese sagenumwobene Bozner Musikszene … 
Das Licht geht aus, alle verschwinden in ihren Proberäumen und das Geklimpere beginnt: ein wildes Durcheinander von Musikrichtungen – auch drinnen bei „Polemici“ – mit dem Unterschied, dass sich dieses um einiges besser ergänzt als der Krach im Gang. Polemici franzmagazine Florian Rabatscher

Ganz ohne Grund befinde ich mich natürlich nicht hier [siehe Schnappschuss oben], am 2. März 2018 veröffentlichen Polemici ihr erstes Album. Eine Kostprobe kann man sich schon mal bei der Single-Auskopplung „Intro“ holen, die nicht schlecht klingt, wie ich finde. Von den Texten verstehe ich leider nicht viel; und zwar nicht, weil sie auf Italienisch sind, es liegt mehr an der Masse und Geschwindigkeit, mit der die Worte daher kommen. Bei diesem lyrischen Artilleriefeuer komme ich an meine Grenzen – keine Kritik, wenn man die Texte versteht, hauen sie dich sicher vom Hocker. Unbedingt muss man ihnen auch nicht folgen, da Tachis Flow bestens in die Musik einfließt. Tanzbar ist ihre Musik auf alle Fälle – der Punkt, der ihnen auch am wichtigsten ist. Nicht die Botschaft ist ausschlaggebend, Spaß steht an erster Stelle. Keine politischen Statements. Tachis Texte sind größtenteils persönlich, oft auch provokativ und heutzutage vor allem „easy“, wie er erzählt. Und damit meint er, dass er mit dem Alter viel entspannter geworden ist, was sich in seinen Texten wiederspiegelt. Seit 15 Jahren rappt er schon, veröffentlichte drei Solo-Alben und arbeitet jetzt, seit drei Jahren, das erste Mal mit einer Band zusammen. Auch die anderen fünf (Step, Gowashj, Marco, Diego, DJ Husk) kommen aus verschiedensten Musiksparten, von Metal bis Reggae. Und das macht das besondere ihres Sounds aus. 

Jetzt könnte man denken: Das soll besonders sein? Crossover ist tot! Scheiß auf Limp Bizkit! Dem stimme ich zu, aber hier fühlt es sich einfach vollkommen anders an. Waren anfangs manche in der Band eher skeptisch, da sie selbst mit Hip-Hop nichts am Hut hatten, verschmelzen sie jetzt deutlich hörbar zu einer Einheit. Kein durchgeplantes Konzept oder irgendwelche Experimente, oh nein! Dieser Mix entsteht bei Polemici ganz automatisch. Sie tun das, worauf sie Bock haben und so klingt es auch. So wie beispielsweise der Drummer Diego, der sich unaufhaltsam durch das Set prügelt, obwohl er eigentlich Gitarrist wäre. Schon als Kind träumte er davon, Schlagzeug zu spielen; wahrscheinlich war damals „Animal“ aus der Muppets-Show sein Vorbild, das würde einiges erklären. 

Polemici Foto di Matteo Groppo

Als einziger Zuhörer bei ihrer Probe, fühle ich mich trotzdem wie auf einem Konzert. Sie geben alles und haben sichtlich Spaß dabei. Beim Musizieren verwandeln sich diese sechs Herren in Teenager, die gerade anfangen ihre Musik für sich zu entdecken. Was für eine Leidenschaft und was für ein Widerspruch zum Band-Namen „Polemici“ – da sie nicht mehr die Jüngsten sind, haben sie miteinander auch nicht mehr so viel Geduld … Wer mir nicht glaubt und sich davon selbst ein Bild machen möchte, bekommt die Chance dazu am 24. März 2018 bei ihrer Release-Show im Sudwerk in Bozen. 
Neun Songs wurden auf das Album gepackt: Alle unterscheiden sich voneinander – wie die Musiker selbst – mal härter, mal poppig oder einfach mal fröhlich. Es sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein, meint Tachi. 

Die komplette Produktion wurde aus eigener Tasche bezahlt. Mit Hilfe von Crowdfunding und gelegentlichen Konzerten als Akustik-Trio (auf der Straße und in kleineren Bars) wurden auch noch ein paar Moneten dazu verdient. Logo, Bandfotos und das ganze Drumherum wurden mit Hilfe von Freunden realisiert, was Riesenspaß bereitete. Ganz intern und familiär, eine verschworene Gemeinschaft sozusagen. Irgendwie mafiös, nicht wahr? Keinesfalls – denn das Album ist als Free-Download erhältlich [ab 2.3.2018], also kann man sich wirklich nicht beschweren. Auch wollen Polemici nichts verdienen; ihnen würde reichen, wenn die Selbstkosten durch viele Konzertbesucher wieder auf Null stünden. Und am Glücklichsten sind sie, wenn jeder Konzertbesucher sich amüsiert und mitfeiert. In solchen Momenten geht Tachi mit einem Lächeln ins Bett. Sind sie nicht süß?! – höre ich das Groupie in mir schreien. Ja, das sind sie wirklich, dazu noch eine Prise Bescheidenheit und voilà, fertig ist das Grundrezept für eine überaus sympathische Band! Ohne ihre Musik in den Schatten zu stellen, mich hatten sie bereits vorher mit ihrem Charme überzeugt …

Foto (1) franzmagazine/Florian Rabatscher; Foto (2) Matteo Groppo

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