Music

February 8, 2018

„liebe isch alles.“
Die Trackstrickser Jamin und Fid Mella im Interview

Kunigunde Weissenegger

Geht’s noch? Fid Mella und Jamin sind seit 2012 ein Paar: „Wien isch a Dorf“, meint Fid Mella. „… über Brenk Sinatra oder Cottleti haben wir uns kennen gelernt … Dann haben wir recht bald mit dem Album ‚Augenring‘ begonnen, das 2015 rausgekommen ist [auch auf Vinyl zuhaben]. Jamin ist ein funky Mensch …“ Fid Mella, ursprünglich aus Meran, ist Tontechniker beim TV, lebt in Wien; Jamin ist Tiroler, macht Ton und Licht in einem kleinen Theater in Wien und lebt auch dort.

Abgesehen davon und anderem haben die beiden Mitte des Jahres 2017 unter dem Label Hector MacelloCivic“ herausgebracht – Musik von Fid Mella, Stimme von Jamin. Das Auto gibt’s in echt, Baujahr 1999, Jamins allererstes überhaupt. In limitierter Auflage von 300 Stück auf schwarzem Vinyl als 2LP kann das Album hier bestellt werden [Erscheinung 30.3.2018]. 

Normal reden geht nicht, deshalb war chatten angesagt. Eigentlich im Dialekt – Tiroler, Wiener, Koreaner, whatever … über Trends, Angst, fehlende Unbekümmertheit, das Auswandern, das Verreisen und das Leben in einer Blase. Diese Transkription davon offenbart manches, verschleiert weiteres. Es bleibt unseriös. 

Kunigunde: Ist das Tiroler Dialekt? Klingt eher … Koreanisch? Wer singt Hochdeutsch?

Fid Mella: Das ist was ganz Spezielles, das ist Jaminisch. Auf dem Album drauf sind auch Doz 9 und Dexter – meine aufrichtige Co-Empfehlung, hab da die Weinsaufhymne „Vino“ produziert. 

Kunigunde: Danke für den Tipp. Und wer sind Young Krillin, Cottleti und Lippp?

Fid Mella: Lippp ist mein Cousin und der beste Südtiroler Rapper Period! Cottleti ist eine Wiener Legend. Krillin ist ein Salzburger Rap God. In Wien kommen alle zusammen, früher oder später … ist deshalb besser als Mitterplarsch. 

Kunigunde: Wer hat eigentlich den Titel fürs Album bestimmt? 

Jamin: Der hat sich so ergeben, dadurch dass sich das Auto-Thema fast durch das ganze Album zieht. Und als wir dann geschaut haben, was „civic“ bedeutet, war uns klar, so heißt das Album. 

Kunigunde: Was bedeutet „civic“ für euch? 

Fid Mella: Alles, was Jamin nicht ist, haha! 

Kunigunde: Das wäre? 

Jamin: Bürgerlich. Hahaha.

Kunigunde: Bist du der Fürsprecher des Unbürgertums?  

Fid Mella: Er ist der netteste Räuber von Wien, die Bürger lieben ihn.  

Jamin: Na ja, ich hab nie so richtig in die Gesellschaft gepasst. Immer wenn etwas Mainstream oder hip war, war ich schon dagegen. Das ist mit sechs Jahren losgegangen. Ich hatte mit sieben schon lange Haare, (obwohl das damals noch nicht hip war) und auf einmal war’s so. Dann hatte ich Dreadlocks, und hab mich glatt rasiert, als es hip wurde. Nun ist Glatze hip und, ich glaube, ich lass mir bald eine „Gnackmattn“ wachsen … Mit der Musik ist es ähnlich. Ich mach’s und zehn Jahre später ist es hip.  

Kunigunde: Trendsetter? … das klingt nun wieder etwas bieder …  

Jamin: Nein. Ich will innovativ sein … 

Kunigunde: Ist das nicht etwas ausgelutscht? 

Jamin: Trend ist mir wurscht, für mich sind jene, die den Trends hinterherrennen, Schafe. Alle in der Uniform des Trends, und gleichzeitig denken sie, sie seien einzigartig und speziell. Lächerlich! … Innovativ ist das erstbeste, was mir gerade eingefallen ist. Ich möchte einfach nichts nachmachen. Das ist mir zu blöd. Wenn’s schon wer gemacht hat, bist du immer nur Zweiter. Keiner kennt den Zweiten, beispielsweise beim Sport. 

Kunigunde: … aber wenn das Album jetzt so gut ankommt (und das tut es doch, oder?), dann bist du doch auch im Trend, oder? …  

Jamin: Einfach machen ist der Plan, bloß kein Stillstand. Was andere machen, ist mir egal, ich schau da nicht drauf. Wir machen was und die anderen machen was anderes. Aber lassen wir das vom Trend, das ist fad, haha! 

Kunigunde: Gut, nochmals zu eurem Kennenlernen: Wie war das genau? Gibt’s prägende Erinnerungen?  

Fid Mella: Auf jeden Fall sein Album „Fliagn“. Nachdem ich das gehört, hab, wollte ich etwas mit ihm machen.

Kunigunde: Liebe auf den ersten Sound?  

Fid Mella: Liebe ist die Antwort. 

Jamin: Ich muss ganz ehrlich sagen: Wir haben uns echt ineinander verliebt, musikalisch und privat ist der Mella einfach ein „Schnuggal“. Und ohne ihn hätte ich schon lange nichts mehr gemacht. 

Kunigunde: Echt? Liebe ist die Antwort? 

Jamin: Jep, Liebe ist alles. 

Kunigunde: Und aus Liebe formen sich Worte und Noten …? 

Fid Mella: Manchmal auch aus Hass.

Jamin: Ohne Liebe kannst du den Laden zumachen. Liebe zum Hass …  

Kunigunde: Was liegt als nächstes an? Gibt’s Auftritte? 

Fid Mella: Live sind wir eher eine Rarität, aber man kann uns booken.  

Jamin: … ich würde mit einem Civic auf die Bühne fahren … in einem hundsordinären Club geht das eher nicht …  

Kunigunde: … was hört ihr eigentlich so zum Ohrenreinigen? 

Fid Mella: Connan Mockasin. 

Jamin: Ich hör prinzipiell wenig Musik, weil mir das meiste „am Oasch geat“. Zur Zeit hör ich ein bisschen vom Sir oder Boogie oder 6lack, beispielsweise. Und Classics, die die Kiddies nicht mehr kennen – Mobb Deep oder Dilla oder Luniz usw. Aber auch ein bisschen Wiener Klassik von Hans Moser usw.  

Kunigunde: Wenn ich mir euer Album so anhöre, frag ich mich, woran ihr wohl glaubt? 

Fid Mella: Desch Kunscht. 

Kunigunde: Habt ihr vor nichts Angst? 

Jamin: Wer Angst hat, ist nicht frei. Wenn Sterben das Ultimative ist, dann habe ich nicht mal davor Angst. Wozu? Es ist unvermeidlich. Angst ist etwas, das mir fremd ist. Das Leben ist eh so verdammt kurz.  

Kunigunde: … Angst vor Schmerz, Krieg, Hunger … Liebeskummer …

Jamin: Liebe macht keinen Kummer, das Ego macht Kummer.

Kunigunde: Mella?  

Fid Mella: … mir ist das grad zu deep …  

Jamin: Ich bin für diesen deepen Shit voll offen. Mella muss mich eh manchmal bremsen, sonst schweif ich ab …  

Kunigunde: … apropos: Wie arbeitet ihr? Was gibt’s zuerst? 

Fid Mella: Bei diesem Album entstanden Musik und Text fast zugleich. Wir haben uns getroffen, einen Beat gemacht und drauf geschrieben. 

Jamin: Das geht Hand in Hand. Das liegt zum Teil an meiner Art, aufzunehmen, und lässt sich super mit Mellas Art, Beats zu machen, kombinieren.  

Fid Mella: Die Devise diesmal war, unvorbereitet ins Studio zu gehen und zu sehen, was passiert. Wir haben uns zu Mittag getroffen und hatten am Abend eine Nummer oder zumindest eine gute Baustelle. 

Jamin: Beim nächsten Mal würde ich gerne für zwei Wochen in den Urlaub fahren und am Strand aufnehmen und Beats bauen. 

Kunigunde: Aha, also nicht jeder in seinem Kämmerlein?

Jamin: Nein, diesmal nicht. Das machen ja alle. Hahahaha! Ich möchte Spaß dabei haben; wenn es Arbeit ist, hört man das, finde ich. 

Kunigunde: Nochmals zurück zum Deepen: Ich habe den Eindruck, diese Unbekümmertheit fehlt in Südtirol manchmal … Manche Leute produzieren Probleme herbei … haben die nix Besseres zu tun, denkt man sich da manchmal …  

Fid Mella: So habe ich das auch gesehen, als ich ausgewandert bin.  

Jamin: Es liegt sicher zum Teil an meiner Erziehung. Ich habe von klein auf die ganze Welt bereist, weil meine Mutter eine exzessive Reiserin war und mich zu den wildesten und schönsten Plätzchen der Welt mitgenommen hat. Ich habe alles gesehen – vom sterbenden Menschen im Straßengraben über hungernde Kinder in Afrika bis zu den Gangstern in Bogotá. Ich habe sehr viel erlebt und kenne die Welt recht gut, um zu wissen, dass unsere erste Welt nicht das widerspiegelt, was wirklich ist. Wir leben in einer Blase, die sehr zerbrechlich ist, und das ist vielen hier nicht bewusst.  

Kunigunde: Irgendwelche Tipps? 

Jamin: Viel verreisen. Nicht an All-inclusive-Ballermann-Shits, sondern mit den Leuten reden und mit ihnen in ihrer Kultur leben. Und bring so viel Mitgefühl auf, wie geht.  

Kunigunde: Und hier? 

Jamin: Wir sind nicht das Nonplusultra. Wir sind behindert vom Konsumzwang und dem Verlangen, alles haben zu wollen.  

Kunigunde: >> „Kloane Scheine“ 

Jamin: Liebe ist die einzige Währung, auf die es ankommt. 

Kunigunde: … und so lebst du? … in deiner Bubble? 

Jamin: Na ja, ich bin auch nur ein Mensch mit Bedürfnissen. Ich wasche mich gerne, esse auch, um nicht zu verhungern, und im Winter heize ich ab und zu, damit ich nicht erfriere. Aber da bei uns alles so hart reglementiert ist, kommst du aus dem Konstrukt nicht raus. Also ja, ich lebe hier und habe mich der Kultur unterzuordnen – in gewissem Maße. Doch würde mir Geld das Wichtigste sein, wäre ich Banker, nicht Musiker. Würde ich in einer anderen Kultur leben, müsste ich mich dort einfügen … Du kannst eine Krebszelle sein, aber dann gibt es zwei Optionen: entweder du bringst den Organismus um oder der Organismus bringt dich um … 

Kunigunde: So weit, so gut, merci Sirs. 

Fid Mella: Na gut, bis bald. 

Jamin: Ciao Ciao.

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