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October 15, 2017

“allesstill”: Das Ende des Kapitalismus. Und was dann?

Ingrid Dietl

Alles still. „Es könnte ja alles gesagt sein, wenn es still ist.“ 
Wozu braucht es noch Zeit? Wenn wir nicht aufstehen müssen, weil wir pünktlich in die Arbeit müssen, wenn wir nur noch tun können, wonach uns ist. Ein Leben ohne Zwang und Drang. Und doch fad. Oder totally funny.  

Drei WG-Bewohner schauen fern. Ihnen ist fad. Sie glotzen in ein potentially boring Publikum. Sie philosophieren. Philosophieren über ein Leben ohne die Fesseln des Kapitalismus, der uns rastlos Pflichten erfüllen lässt. Am liebsten tun sie das im Schlafanzug und mit reichlich Bier.  

Mit Bier stoßen sie auch auf die unglaubliche Nachricht an: Das Ende des Kapitalismus, der Tag den so viele so lange herbei gesehnt haben und den kaum einer für realistisch gehalten hatte. Jetzt wird überall in den Nachrichten davon berichtet. ZeitzeugInnen erzählen, wie sie diesen großen Tag erleben, wie sie ihr Leben lang gegen das System gekämpft haben. Sie hätten es nie für möglich gehalten und nun ist dieser Machtkampf vorbei. 

Wofür kämpft man, wenn der große Kampf vorbei ist? Und was ich mich selbst die ganze Zeit frage: Woher kommt dann noch immer das viele Bier her? 

Das Stück unter der Regie von Sarah Milena Rendel – überzeugend gespielt von den drei HauptdarstellerInnen Michèle Jost, Christiane Zimmer und Roman Wegmann – ist voller philosophischer Abhandlungen, die zum Teil frei improvisiert werden und die „Hydra des Kapitalismus“ ausschlachten.

Zum Schluss bleibt die Frage: Wäre unsere Welt eine bessere rein durch die Abschaffung des gängigen Systems? Es scheint, als sei sie dann eher leer bis sinnlos. Was nicht heißt, dass man die vorherrschenden Systeme nicht, wie hier gut gelungen, in Frage stellen kann. Veränderung meint nicht bloße Abschaffung, sondern Erneuerung durch Weiterentwicklung. 
Sonst kann es passieren, dass drei MitbewohnerInnen, die glaubten, der Kapitalismus sei abgeschafft, wochenlang in prekären Verhältnissen leben.  

„allesstill“, das vierte Theaterprojekt, das der Kunst- und Kulturverein soliarts unter der Leitung von Sarah Milena Randel präsentiert, ist erneut am Samstag, 18. November 2017 um 20.30 H im Rahmen der Europäischen Theaternacht in der Bäckerei in Innsbruck zu sehen.  

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