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August 30, 2017

Rosa sind alle meine Kleider: rosa me vs. Sara Schwienbacher

Text Greta Stampfer

Rosa. Früher die Farbe der kleinen Prinzen, welche sich nicht in babyblau, denn das war dem weiblichen Nachwuchs vorbehalten, sondern in rosa Decken wälzten. Das war lange vor Gendermainstreaming und der Konsumgesellschaft, die die kleinen Prinzessinnen von heute in ihren „Made from Chinese Children“-Kleidern für sich entdeckte. Dass dann eine Frau, auch noch aus dem sonst so androgynen Kunstbetrieb, sich nackt in rosa gegen die Welt stellt, scheint eine allzu perfekte Persiflage auf die Frage nach Scham und Körpergefühl zu sein. Sara Schwienbacher bedeckt sich mit rosa Farbe und will bewusst provozieren.

Du lebst ja eine Art Doppelrolle. Wer ist Sara Schwienbacher und wer ist rosa me?

rosa me ist die Kunstfigur, welche ich, Sara Schwienbacher, seit bald neun Jahren für meine performative Arbeit entwickelt habe. Stets nackt und rosa angemalt macht sie die Selbstdarstellung zum Inhalt und ihren Körper zum Mittelpunkt der Arbeit. rosa me fordert heraus, und zwar nicht nur mich selbst als Künstlerin, sondern auch ihre Gegenüber, seien es Passantinnen und Passanten, Studierende oder ein Stadtpolizist, wie bei Stadtspaziergang 2009 in Meran. Mir als Künstlerin geht es um die Teilhabe, die Nähe zu den Betrachtenden und die Assoziationen, welche diese in der Auseinandersetzung mit rosa me haben.rosa me 2

Siehst du dich als Performerin oder Künstlerin? Hast du auch andere Projekte?

Ich bin Performancekünstlerin und sehe mich als Künstlerin im Sozialen. Ich habe den Master in Kunsttherapie und arbeite derzeit in der Nähe von Bremen an der Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg. Da leite und betreue ich viele Kunstprojekte in ganz unterschiedlichen pädagogischen Einrichtungen. Zudem habe ich vor kurzem die Kunstschule PAULA in Worpswede mit dem neuen Konzept des intergenerativen lebendigen Galerieraumes entwickelt.

Wie ist die Kunstfigur rosa me überhaupt entstanden? Und warum ist sie pink?

Ich begreife rosa me als Werk, es gibt unzählige Faktoren, die in ihre Entstehung mit rein spielen. Fakt ist, dass ich mich in Wien 2008 in einem verlassenen Gebäude im 13. Bezirk das erste Mal pink angemalt habe. Schon davor hatte ich mit grüner, roter, schwarzer und weißer Körperbemalung experimentiert. Doch in pink war es plötzlich eine Figur, ein Gegenüber, das mich aus dem Foto heraus anblickte. Eine tatsächliche Verwandlung war damit geglückt, denn das, was ich sah, war nicht mehr ICH. Daraus entwickelte sich ein unglaublicher Freiraum für meine Arbeit. rosa me ist ganz eigenständig, eine immer wieder neu zu bespielende Plattform für meine künstlerischen Ideen. Sie stellt mir Fragen, gibt mir Antworten – was ich dann damit mache, ist ihr egal, sie interessiert sich nur für das Performen.

Bist du bei deinen Performances immer nackt?

Ja, das Erscheinungsbild der Kunstfigur rosa me ist immer dasselbe. Nackt und mit pinker Farbe bemalt. Das ist die Basis. Dann kommt es auf die Performance an: Neulich hatte rosa me in Lana zum Thema „Bitte streicheln“ viele Federboas am Körper, in Hamburg war sie im Bücherschaukasten zum Thema „Selbstfeier“ voll mit Konfetti und Sprühsahne. Sie mag es sich mit verlockendem Material zu inszenieren. Um eine reine Provokation durch den nackten Körper geht es ihr nie. Nacktheit wird meist nicht vordergründig zum Thema gemacht, sondern die reine Figur ist der Ausgangspunkt für alles weitere.rosa me 3Wieso stellst du dich den Leuten so zur Verfügung?

Partizipation ist das Thema, das mich als künstlerisch Forschende interessiert. Es ist für mich spannend immer wieder aufs Neue zu sehen, wie jede einzelne Betrachterin, jeder einzelne Betrachter auf die Figur reagiert. Hinschauen – wegschauen. Interessiert, beschämt, verhalten, gierig, zugewandt, irritiert. Das ist in einer Performance der gemeinsame Ausgangspunkt. Das Publikum bestimmt also vorwiegend den Weg der Beziehungsgestaltung. Ich spiele mit dem, was da ist. Fordere auf, gehe auf Einzelne im Publikum zu. Schaffe Intimitäten durch kurze absurde Interaktionen. Ziel ist es, den Raum, den ich in einer Performance eröffne, mit ganz unterschiedlichen Begegnungsmomenten auszuloten. Mich interessieren die vielseitigen Formen von Mitmachen – auch im Sinne von kultureller Teilhabe. Dafür stelle ich mich zur Verfügung. Ich bin sozusagen mein eigenes Instrument.

Wie ist die Reaktion der Menschen? Empfinden sie rosa me als aufdringlich?

Ganz unterschiedlich, aber ja, rosa me ist sicherlich offensiv. Es ist total davon abhängig, ob die Performance in einem künstlerischen Kontext spielt, also z. B. in einer Galerie oder im öffentlichen Raum. Das sind zwei wirklich ganz andere Erlebniswelten. Wenn rosa me in Hamburg-Altona in einem Schaukasten sitzt und umgeben von einem interkulturellen Straßengeschehen ist, sind die Reaktionen vielfältiger. Von Beschimpfen bis total berührt Sein, stillem sich Bedanken bis lautem Jubeln ist alles dabei. Generell sind es oft jüngere Frauen, die sich von rosa me herausgefordert fühlen. Ältere hingegen sind meist ganz fasziniert. Männer beschweren sich kaum laut über rosa me, sind aber oft überfordert, wenn die Figur einen Blickkontakt einfordert. Toll ist, dass rosa me Kinder fesseln kann. Sie werden in ihrer Spiellust angeregt und die Eltern müssen sie oft unter vielen Tränen von der Performance wegziehen.rosa me 4Hast du kein Schamgefühl? Eine deiner Performances in Regensburg 2016 hieß “genieren”. Ist da eine Anspielung auf dein Schamgefühl?

Nein, rosa me besitzt kein klassisches Schamgefühl, generell empfindet sie ganz anders als ich. In der Performance „genieren“ ging es mir darum Scham zu untersuchen. Deshalb hat sich rosa me anmutig inszeniert und die Nähe zum Betrachter gesucht. Sobald sie ein Gegenüber vor sich hatte, störte sie diese intime Begegnung und ließ ganz nahe am Ohr des Anderen ein Körpergeräusch wie Rülpsen, Würgen etc. von einem Abspielgerät in Flüsterposition ertönen. Sofort kippte die Mimik von Freude in Ekel mit einem schnellen Übergang zum Schämen. Die Scham, die Situation falsch beurteilt zu haben, die Scham dem fremden Körpergeräusch so nahe gewesen zu sein. Vor allem aber das Fremdschämen bekam viele Gesichter.

Für die Jahreszeitschrift NUJ hast du in Zusammenarbeit mit Hannes Egger ein eigenes Projekt geschaffen. Unter dem Titel „Create your own image!“ hast du LeserInnen aufgerufen, dir einen Gegenstand und eine Handlungsanweisung zu senden. Du hast die Handlungen mit den Gegenständen ausgeführt und das fotografische Ergebnis an diese Menschen zurückgeschickt. Welche Gegenstände wurden dir zugesandt?

Das war total aufregend. Im Amt für Kultur in Bozen lag eine große rosarote Tasche mit vielen Päckchen bereit, darauf stand „für rosa me“. Stolz lief ich damit durch die Lauben. Zuhause angekommen, habe ich begonnen Paket für Paket zu öffnen. rosa me bekam einen antiken schwarzen Schirm, einen recht großen braunen Holzbilderrahmen, ein kleines Lego-Feuerwehrauto mit Männchen, eine Rolle mit gelbem Stoffband, die Zeitschrift NUJ, rosarote kleine Plastikfische, einen gelben Luftballon voll mit silbernem Glitzerstaub, zwei hellblaue Paketmaschen, zwei richtig große weiße Federn, einen Pelikan-Holzstift in Rosa, ein kopfartiges Lederhautgebilde mit grauen Haaren und eine Tüte voll mit rosaroten Herzchenluftballons.
 rosa me5 Und ist denn auch etwas Unerwartetes passiert?

Im Vorfeld habe ich nicht damit gerechnet, wie persönlich so eine Arbeit für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden kann. Einige Objekte, die ich bekommen habe, waren für den Absender schon bedeutungsgeladen und wurden rosa me mit der Absicht geschickt, den Gegenstand (die Erinnerung daran) festzuhalten. Das habe ich aber erst danach durch den E-Mail-Schriftverkehr erfahren. Dadurch, dass das jeweilige Foto nur dem Absender mit dem Titel „Deine persönliche rosa me Arbeit“ zurückgeschickt wurde, entstand auch wieder eine Intimität in der Begegnung. Denn nur der Absender, rosa me und ich sind Teil dieser Geschichte.

Dein Werk steht in der Tradition der Body Art. Inwieweit ist dein Körper Material? Wie nimmst du die Beziehung zwischen dir und deinem Körper wahr?

 Ich denke, dass rosa me die Form von Beziehung spiegelt, die ich zu meinem Körper habe. rosa me benutzt meinen Körper als ihr Kunstmaterial, ohne sie hätte ich kaum Zugang zu ihm. Ich denke, das ist auch der Grund, warum sie – rosa me – entstand. Sie vermittelt nicht nur zwischen mir und dem Publikum (der Welt), sondern auch zwischen mir und meinem Körper. Ich bin froh, dass es ein positiv zugewandter Umgang ist, der sich wesentlich von der Tradition der selbstzerstörerischen Body Art unterscheidet.

Fotos: Christian Martinelli

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