Music

July 26, 2017

Unter Strom: Electric Mountain Festival @ Graun

Greta Stampfer

Dass Jugendkultur einen schweren Stand in Südtirol hat, muss nicht extra gesagt werden. Hiobsbotschaften von abgesagten Festivals gehören zur harten Realität der Südtiroler FestivalbesucherInnen. Besonders für Fans alternativer, elektronischer Musik gehören deshalb im geheimen, oft auch illegal organisierte Events zum Alltag. Darum freut sich die Szene natürlich umso mehr, wenn das kleine Dörfchen Graun einmal im Jahr offiziell zum Feiern einlädt: Am 22. Juli 2017 fand  die vierte Edition von Electric Mountain statt.

Auch dieses Mal startete meine Reise in Bozen. Im Gegensatz zum Gadersound, bei dem ich von einer langen Reise ausging, war ich dieses Mal positiv gestimmt: Graun liegt doch in der Nähe von Kurtatsch – ein weiter Weg kann es also nicht sein. Der Bus von Neumarkt nach Graun brauchte allerdings länger als gedacht, was vielleicht auch dem schweren Transportinhalt von zu vielen FestivalbesucherInnen in einem zu kleinen Citybus geschuldet war. Zwar war die Reise beschwerlich – so viele enge Kehren! – aber die Weinberge rund um den Weg nach Graun entschädigten für so einiges.

Schon bei der Ankunft war klar: Grauns Bevölkerung würde heute Nacht vervierfacht werden. Der Campingplatz war relativ gut gefüllt und das Festivalgelände zeigte sich von seiner besten Seite: Inmitten des gefühlten Nirgendwos lag eine Waldlichtung, wie sie aus der Fantasie eines jeden Festivalorganisators entsprungen sein könnte. Eine Lichterkette zeigte mir den Weg auf das Gelände und bereits beim Eingang konnte ich in den Kessel der Tanzenden hinuntersehen, die sich, umgeben vom Rauch der Nebelmaschinen und beleuchtet vom Blau der Lichteffekte, im Rhythmus der Musik bewegten. Die Mainstage des Festivals, die sich thematisch insbesondere dem Raggatek und Tribecore verschrieben hatte, machte zweifellos den Eindruck, dass die Grauner Festivalcrew viel vorhatte: Ein Soundsystem, das nicht von schlechten Eltern stammte, versorgte die Meute mit geballter Menge an Musik. Wie von der Musik hypnotisiert, gab sich das Publikum den Bässen hin und nur kurze Bekundungsrufe unterbrachen den Fluss des Tanzens. Ähnlich sah es auf der Second Stage aus: Hier führte Psytrance und Progressive Trance durch die Nacht. Eine riesige, bunte Stoffplane in Form einer Blume erstreckte sich über die Köpfe der Feiernden und auch jenseits des DJ-Pults leuchtet ein Spinnennetz in fluoreszierenden Farben. An der Aufgabe einen Dancefloor zu beschreiben, diese Energie, die sich entfesselt und die Menge zu einer homogene Masse  verbinden lässt, ist schon so mancher gescheitert – denn dieses elektrische Gefühl, das sich irgendwo zwischen den archaischen Bewegungen der Tanzenden und dem Fluss der Musik bewegt, ist nahezu unvergleichlich

Electric Mountain franzmagazine

Erstaunlicherweise existierte auf dem Electric Mountain die Südtiroler Sperrstunde, die gerne bereits um 2 Uhr nervend an die Tür klopft, nicht: Bis in die frühen Morgenstunden riss die Musikflut nicht ab und ließ die Freunde der Tanzmusik weiter eskalieren – entweder die Grauner Festivalcrew steht mit dem Teufel im Bund oder sie besitzen einfach gute Verbindungen zu den Ordnungshütern. Allerdings musste auch hier irgendwann Schluss sein – zumindest von offizieller Seite aus. Denn wie es sich für ein Festival gehört, waren die Camper noch lange nicht reif fürs Zelt. Irgendwo fanden sich immer noch Lautsprecherboxen, um die der ein oder andere noch tanzte, selbst, als die Dunkelheit sich langsam verabschiedete und die Abgründe der Nacht in den Gesichtern der Partymeute offenbarte.

Und während ich auf einer feuchten Isomatte saß, am Fuße der Grauner Weinberge, langsam die Sonne über die Berge hochkletterte und mein Nachbar sich sein „letztes Bier des Abends gönnte“, konnte ich noch einmal die Seele baumeln lassen. Nach gut sieben Stunden Tanzen war schließlich mein Wochenend-Workout erledigt, was ich auch spürte: Durch jede Muskelfaser zog sich ein Ziehen, weshalb der Aufbruch schließlich nicht weit war. Doch anscheinend nur für mich, denn als ich das Campinggelände verließ, winkte mir noch einer der Übriggebliebenen, der um eine Lautsprecherbox tanzte,  zu. Und wenn sie nicht gestorben sind, tanzen sie noch weiter. 

Foto: (1) Electric Mountain Facebookpage; (2) franzmagazine

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