Music

June 20, 2017

Die volle Ladung Ironie und Kritik Von Seiten Der Gemeinde

Kunigunde Weissenegger

„Mit der ältesten Musi, wos iberhaup gibb“ – der „Ochsamusi“ – oder „104 Johr voll“ und weiteren 13 Tracks machten sie 2014 mit dem Musikprojekt „Von Seiten Der Gemeinde“ erstmals Furore und wurden 2015 sogar für den FM4 Amadeus Austrian Music Award nominiert. 

„… schwara Koscht wert noumol kuit … mia zarhockas ietz, bis sich olles reimp bis zum Schluss … schau, wias schmeckt … de Tracks sein Feinarbeit … heftig … Yo!Zepp … heftig … Chrisfader … heftig … Testa … heftig …“ In der Tat heftig, wie sie „aus Worten Kunstwerke machen“. 

Drei Jahre später, hatten sie wieder genug Material beisammen, legten erneut los und spuckten nun, im Mai 2017, ihr zweites Album aus: „State Of Gmeind“ ist eine Autofahrt mit alles kommentierender Geiß auf dem Beifahrersitz, ein Graukas al dente, ein tief gelegter Dreiradler mit fünf Türen und Fuchsschwanz, ein mit Plastilin geflickter Porzellanteller. Die drei Typen hinter dem Ganzen sind Chrisfader, Yo!Zepp und Testa und zerlegen mit bohrendem Trieb galant spitz ihre Provinz. Wenn sie ihn nicht ausleben, wachsen ihnen Beulen, so scheint es. 

Sie referieren wortgefechtlich über Killerkühe, Lignano (das Mallorca der TirolerInnen), Schihütten, Gemeindetraktoren (vergleichbar mit den Südtiroler Gemeindefeuerwehrfahrzeugen), hochprozentige Gebirgszaubertränke, Bierwampen, Scheibenschlagen, korrupte Banken oder ähnliches und Talkessel, die cooler sind als andere … Oft lassen sie singen: TV-ModeratorInnen, Bauern, Bürgermeister, Gäste wirken bei den Tracks kräftig mit. Das Ergebnis: ein ganzes Album mit Sprachsamples und Raps aus dem Tiroler Oberland: „Auf ‘State of Gmeind’ geht’s um Gott, Kunst, Geld, Korruption, Arbeit, Alkohol, Reisen, Nahrung, soziale Ausgrenzung und Geschichte. Der Zustand der Gemeinde als Sinnbild für den Zustand der Welt“, meinen Von Seiten der Gemeinde.   

Worum geht’s euch mit eurer Musik? 

Bei „Von Seiten der Gemeinde“ steht der Spaß an der Sache schon sehr im Mittelpunkt. Es soll vor allem auch uns Spaß machen, die Tracks zu produzieren, und das funktioniert meistens sehr gut. Abgesehen davon wollen wir einfach ein gewisses Bild der sogenannten „Provinz“ zeichnen. Dazu gehört natürlich auch einiges an Ironie und Kritik, die wir vermitteln wollen. 

Wer und was stecken hinter Yo!Zepp, Chrisfader, Testa? Warum?  

Wir machen schon sehr lange zusammen Musik und hatten auch schon einige gemeinsame Projekte (LA Splisz, Viva La Muerte). Wir kommen alle aus der gleichen Gegend im Tiroler Oberland und waren damals auch die einzigen, die dort Hip Hop gemacht haben. Vor ca. 10 Jahren sind die beiden DJs und Produzenten Chrisfader & Testa nach Wien gezogen und verfolgen seither diverse musikalische Projekte (z. B. Restless Leg Syndrome) und sind Mitbetreiber des Labels Duzz Down San. 2009 veröffentlichte Yo!Zepp seine erste EP „Bauer to the People“ im Tiroler Dialekt und danach nahm alles seinen Lauf.  Von Seiten der Gemeinde - Press 1 (c) Derryl DanstonV. l. n. r.: Chrisfader, Yo!Zepp, Testa 

Wie läuft denn die Produktion eines Tracks konkret ab? Geht ihr von Feuerwehrautoeinweihung zu Dorffesteröffnung und macht Aufnahmen?

Also wir sammeln über mehrere Monate und Jahre Material in Form von Sprachsamples aus den lokalen Fernsehsendern. Da entsteht dann ein kleines Archiv an Material, das wir gern verwenden würden und welches dann auch meistens die inhaltliche Vorgabe zu dem Track bietet. Danach gibt’s dann immer einige Session bei denen Beats ausgesucht und Themen festgelegt werden. Am Schluss wird einfach alles zusammengeführt und fertig. Bei diesem Album sind wir auf jeden Fall mit mehr Plan an die Sache rangegangen. 

Was ist unbedingt notwendig? 

Bei der Recherche bzw. der Suche nach Samples ist meistens recht schnell klar, ob etwas für uns brauchbar ist oder nicht. Wichtig ist, dass es authentisch ist und eine gewissen Ehrlichkeit und Roughness hat. 

Würdet ihr auch mit Südtiroler Audios einen Track machen können? Oder geht das nur im Tiroler Oberland-Slang? Warum nicht auf Hochdeutsch oder Englisch? … wobei „Provincetown Girl“ und „Shit is real in LA“ sind zum Teil Englisch …

Der Hauptrund, warum wir das Tiroler Oberländer Dialekt machen, ist ganz einfach, dass wir hier aufgewachsen sind bzw. immer noch leben und natürlich einfach auch so reden wie gerappt wird. Teilweise wird auf den Tracks natürlich auch etwas übertrieben. Der Südtiroler Dialekt wäre für Sprachsamples auf jeden Fall auch sehr interessant, bitte gerne um Tipps : – ). Yo!Zepp hat am Anfang seiner Karriere auch hochdeutsch gerappt weil das damals einfach gang und gäbe war. Im Dialekt zu rappen ist allerdings viel natürlicher und hört sich einfach echter an. Wie schon gesagt, es ist uns wichtig, dass das Ganze irgendwie natürlich, locker und ehrlich ist.  

Und als Gemeindevertreter hier noch einige Stichfragen an euch: 

Euer Hauptcharakterzug? 

Unser Humor. 

Wie steht ihr zu Tirol? Zu Österreich?

Wir sind keine Patrioten oder stolze Tiroler. Im Gegenteil. Manche Leute verstehen unsere Musik da auch ein bisschen falsch. Uns geht es nicht darum das „Tirolerische“ zu repräsentieren, wir machen einfach unser eigenes Ding und durch unsere Herkunft dreht es sich nun mal viel um Tirol. Wir möchten an dieser Stelle die Kollegen von „Da Kessl“ zitieren: „Mir kemmen von da und sein somit Teil von der Kultur“.  

Was hängt bei euch in der Stube? 

Neben ein paar Plattencovern von eigenen Releases, der „State of Gmeind“-Teller von Hannah Philomena Scheiber, der auf unserem Cover zu sehen ist. 

Welche Menschen findet ihr tiptop? 

Hermes – bester Mann.

Wofür schwärmt ihr? 

Ein kühles Bier am Strand oder Meer. Von Seiten der Gemeinde - Press 2 (c) Derryl Danston

Was könnt ihr gar nicht ausstehen?

Schlechte Interviewfragen. 

Was würdet ihr ändern?

In der heutigen Welt läuft so einiges schief, schwer zu sagen, wo man da anfangen sollte. 

Was würdet ihr super können wollen?

Klavierspielen. 

Das schönste Geschenk? 

Natürlich ein „State of Gmeind“-Album! 

Euer Motto?

Broke aber gönn dir!

Ein Gruß Von Seiten der Gemeinde bitte!

Seas! 

Und die letzte: Wie ist es so Release zu feiern? 

Die Releasepartys im Alten Kino sind immer ein großes Highlight. Das Alte Kino in Landeck ist unsere Homebase, wo wir unsere ersten Konzerte gespielt haben und immer wieder sehr gerne zurück kehren. Abgesehen davon sind wir sehr froh, dass „State of Gmeind“ jetzt draußen ist, und wir freuen uns auf anstehende Konzerte, z. B. am 23.6. im Treibhaus in Innsbruck oder am 2.9. beim Live & Loud Festival in Prutz. Wir würden natürlich auch gerne mal in Südtirol spielen!

Die Releaase-Party ist im Mai im Alten Kino in Landeck gestiegen, Freitag, 23. Juni, ab 21 H, feiern sie die zweite, gemeinsam mit “Da Kessl” im Treibhaus in Innsbruck. Doch seid nicht traurig, Konzerte spielen sie den ganzen Sommer über …

Alle Fotos by Derryl Danston

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