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May 18, 2017

Ciliegie: parole d’autore con Leander Schwazer

Mauro Sperandio
Parole, immagini, sensazioni si susseguono le une dopo le altre. Artista chiama artista, come ciliegia segue a ciliegia.

Le parole di Leander Schwazer disegnano quanto significano, e il disegno è preciso e non permette fraintendimenti. Onestà intellettuale, senso critico e dell’ironia accompagnano il suo racconto.

La prima domanda te la pone Sonia Leimer, che mi ha suggerito di intervistarti:

Wie verändert und beeinflusst die politische und wirtschaftliche Situation, mit der wir jetzt konfrontiert sind, dein Leben als Künstler?

Liebe Sonia, ich weiß gar nicht, wie ich antworten soll. Wirtschaftliche und politische Situationen gehen wohl an niemandem spurlos vorüber; ja, wir sind von Geld und Politik durchdrungen. Die seltsamen Blüten, die Wirtschaft und Politik treiben, sind fantastische Gebilde, irgendwie morbide und vital zugleich. Als Künstler muss ich mich entscheiden, ob ich mich der Betrachtung und Darstellung dieser merkwürdigen Früchte hingeben will, oder mich nur dafür interessiere diese Früchte zu essen.

Leander Schwazer

Parliamo ancora di economia, più specificatamente di “economia dell’arte”. Spesso, tra l’artista e il compratore, si trovano il gallerista e, su un piano diverso, il critico d’arte. Immaginiamo per un attimo di far sparire queste due figure. Credi che arte e artisti ne trarrebbero beneficio?

Kunst existiert mit ziemlicher Sicherheit nicht nur innerhalb der Gesetze eines Kunstmarktes oder einer Blickökonomie. Wahrscheinlich kümmert sich Kunst gar nicht um diese. Die Frage, ob wir ohne die Gesetze eines Kunstmarktes und den damit verknüpften Orten (Institutionen, Galerien etc.) Kunst überhaupt wahrnehmen können, ist eine ganz andere. Fest steht: Die Orte, die Kunst in unseren Gesellschaften zugestanden werden, lassen Kunst erst als solche erkennen und vernebeln sie zugleich. Es scheint paradox: Derjenige, dem eine funktionierende Idee zu einem Leben ohne marktwirtschaftliche Zwänge einfällt, ist vermutlich ein gemachter Mann.

La tua ricerca ti vede interessato ai materiali di uso quotidiano. Cosa trovi di stimolante nell’ordinario? Di quali materiali il tuo lavoro non potrebbe fare a meno?

Ich würde nicht sagen, dass ich mit alltäglichen Materialien, sondern mit dem Alltäglichen arbeite. Selbst das profanste Ding besitzt eine geistige Qualität, und genau diese versuche ich im Alltäglichen zu entdecken. Ich beschäftige mich mit Dingen, die so nah vor meiner Nase liegen, dass ich sie nur mit Mühe erkennen kann. Stoff, den wir an unserem Körper tragen, Glühbirnen, die unser Heim erhellen, oder Farben, die unsere Zeitungen drucken. Es sind also spezifische Materialien, die ich aus dem Strom des Alltags als Ausgangspunkt für eine Reihe konzeptueller Fragestellungen auswähle. Es ist eine Art Freilegen von „unsichtbarem Sichtbaren“, vielleicht ist es Forschung. Im Unterschied zu wissenschaftlicher Forschung muss ich die Subjektivität meiner Arbeit aber nicht leugnen.

Leander Schwazer

“Calendar Sayings” ti vede protagonista di numerosi selfie, fenomeno assai diffuso. Come nasce questo lavoro e cosa è in grado di raccontare l’autoscatto?

Im Zeitalter der Selfies haben wir es vielleicht vergessen, aber das Selbstportrait war einmal die Domäne künstlerischer Arbeiten. Meine Selfies mache ich durch die Verwendung von Schrift zu sogenannten „Memes“, und reflektiere mal erhellend, mal banal mein Dasein als Selfie. Das Selfie stellt niemals mich, sondern immer sich selbst dar. Ich glaube, das muss man im Internet verstehen: Es sind nicht die Personen, die sich hier selbst darstellen, sondern ihre Figuren. Der gegenwärtige Moment scheint stark unter dieser Verwechslung zu leiden, in der jeder Propagandist seiner eigenen Figur sein kann.

Che rapporto hai con la tua immagine?

Schwer zu sagen: Wenn Selbstportraits Spiegel der Zeit sind, dann erkenne ich mich selten darin, meistens ist der Spiegel beschlagen. Für mich ist weniger mein Antlitz von Interesse, als die Verwandlung in eine Nachricht. Wenn das „Selbst“ zur Botschaft wird, dann lässt sich weniger die  Anatomie meines Gesichtes betrachten, als vielmehr die Anatomie der Selfie-Kultur. Ich bin nur ein bescheidener Arbeiter im Selfie-Berg.

Che rapporto hai con la parola, sia essa scritta che parlata?

Sprache ist gnadenlos, sie verbindet und trennt zugleich. Du fragst mich in dieser Sprache und ich antworte in einer anderen. Sprache ist das erste Ordnungssystem, dem man im Leben begegnet, sie ist so omnipräsent wie unsichtbar. Ich interessiere mich für künstlerische Sprachen, weil sie uns erlauben Abstand zu nehmen von den schrillen Tönen und Lauten, die von irgendwo da drinnen und da draußen kommen.
Leander Schwazer

Le opere che compongono “30-most-famous-people-of-all-time” sono realizzate con inchiostro tipografico, che nel modo da te impiegato richiede mesi per asciugare. Quali sono i limiti di tempo nella creazione artistica? Come riesci, in un mondo che viaggia a grande velocità, a preservare il tuo senso del tempo?

Bei der Serie der „30 Most Famous People of all Time“ war die große Entdeckung nicht die langsam trocknende Farbe, sondern die dabei entstehenden Muster. Man kann sagen, dass sich die Bilder der „30 Most Famous People of all Time“ selbst gemalt haben. In der Serie gibt es ein Werk mit dem Titel „Der kalte Sommer von 1912“. In diesem Jahr war der berühmte Vulkan auf Island ausgebrochen und seine Aschewolke bescherte Europa einen verregneten und kalten Sommer. Nebenbei war dieses Jahr auch künstlerisch sehr folgenreich. Worauf ich hinaus will, ist, dass es mich eher langweilt „Zeit“ als eine rein menschliche Domäne zu denken, viel spannender scheint mir der Versuch beispielsweise die Zeitfenster geologischer oder nuklearer Zeiten zu denken.

Quale artista sudtirolese mi consiglieresti per una prossima intervista?

Sven Sachsalber.

Cosa gli chiederesti?

Sven, was hältst du von dem offenen Brief der Künstlerin Hannah Black, in dem sie fordert ein Bild aus der diesjährigen Whitney Biennial in New York zu entfernen: LINK 
Hättest du diesen Brief unterzeichnet? Wenn ja, warum?  Wenn nein, warum nicht?

Photo: © Leander Schwazer

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