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March 27, 2017

Die Suche nach dem anderen Gedächtnis: „Hidden Photos“ von Davide Grotta

Christine Kofler

Während der Diktatur der Roten Khmer in Kambodscha waren Fotos eine gefährliche Sache. Die EinwohnerInnen entledigten sich der Familienalben, um ihre soziale Herkunft zu verbergen und so den Gefängnissen von Pol Pot zu entkommen. Fast vier Jahre lang dauerte die Schreckensherrschaft der Roten Khmer, die das Land in einen kommunistischen Bauernstaat verwandelten. Buddhistische Klöster wurden zerstört und fast die gesamte intellektuelle Elite des Landes ausgelöscht. Als „subversiv“ galt bereits jemand, der Französisch beherrschte oder lesen konnte. Etwa zwei Millionen Menschen wurden ermordet.

Zwei kambodschanische Fotografen, Kim Hak und Nhem Ein, stehen im Mittelpunkt von Davide Grottas Film Hidden Photos, der am Mittwoch, den 29. März um 21 H im Rahmen der Dokumentarfilmreihe Docu.emme im Centro per la Cultura in Meran gezeigt wird. Während Kim Hak, ein junger talentierter Fotograf, nach Bildern seines Landes jenseits der ikonografischen Abbildungen sucht, möchte Nhem Ein, ein ehemaliger „Lagerfotograf“, der während der Diktatur Gefangene vor ihrem Tod fotografierte, Geld mit den „Schreckensbildern“ verdienen. Davide Grotta lotet mit seinem Film „Hidden Photos“ das Spannungsfeld aus, in dem sich die Fotografie bewegt, und verknüpft das Medium mit seiner Funktion als Gedächtnis eines Landes. Wir haben mit dem jungen Regisseur, der in Palermo und Phnom Pehn lebt, gesprochen. 

Wie ist die Idee zum Film „Hidden Photos“ entstanden?

Ich habe in Kambodscha gelebt und als Fotograf gearbeitet. Dort habe ich einen der Protagonisten, den Fotografen Kim Hak, kennengelernt. Seine Arbeit und die Frage, wie wir mit den Bildern unserer Geschichte umgehen, interessierte mich.  Außerdem stand gerade mein Abschlussfilm für die ZeLIG an. Der Film erwächst auch aus meiner Leidenschaft für die Fotografie.

Beide Protagonisten sind Fotografen, haben jedoch eine ganz gegensätzliche Vorstellung vom Umgang mit der Geschichte des Landes und von der Rolle der Fotografie darin. Kim Hak sucht nach Bildern Kambodschas jenseits der roten Khmer und Angkor Wat. Schaffen er und der Film es, eine andere Geschichte seines Landes zu erzählen?

Ja, ich glaube, das ist ihm und uns durchaus gelungen. Im Film geht es um die Rolle der Fotografie im Rahmen der individuellen und kollektiven Erinnerung und in der Geschichte eines Landes. Und weniger um den Genozid der Roten Khmer. Ich habe Kim Hak auf seiner Suche nach authentischen Bildern seines Landes begleitet. Er beschloss, Fotograf zu werden, als er erfuhr, dass seine Mutter Familienfotos versteckt bzw. vergraben hatte, und er diese mit ihr gemeinsam ausgrub.

Nhem Ein, einst offizieller Fotograf des Regimes der roten Khmer, hat tausende Gefangenen vor ihrem Tod fotografiert. Nun möchte er mit den Fotografien „dark tourism“ betreiben und damit Geld verdienen …

Ja. Ich denke aber, das ist nichts, womit wir mit dem Finger darauf zeigen können – in Europa ist es ja ähnlich. Diese ehemaligen Lager haben sich inzwischen gewandelt. Im Grunde ist es ein ganz normaler Prozess, dass sich diese Orte, die einst Orte des Grauens waren, verwandeln.

HIDDENPHOTOS_STILLPHOTOS_03Du bist Fotojournalist. Welche Rolle spielt die Fotografie in deinem Leben?

Ich bin relativ spät zur Fotografie gekommen. Seit rund 20 Jahren begleitet sie mich nun, sie ist eine Konstante in meinem Leben geworden. Für mich geht es weniger darum, die Welt abzubilden, als vielmehr sie durch das Medium Fotografie infrage zu stellen. Außerdem ist es ein Mittel, um andere Menschen kennenzulernen, mit ihnen in Kontakt zu treten.

„Hidden Photos“ war dein erster Dokumentarfilm. Sind weitere Filme in Planung?

Ja, „Hidden Photos“ war mein erster Film. Es ist meine Abschlussarbeit für die Filmschule ZeLIG und damit ist er in einer Art „geschützten Raum“ entstanden. Jetzt, nachdem ich die ZeLIG abgeschlossen habe, gibt es keine Deadline mehr, die einzuhalten ist. Aber ich hoffe natürlich, in den nächsten Jahren weitere Filme machen zu können und habe das auch vor.

Fotos: Davide Grotta, aus “Hidden Photos”

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