Music

February 1, 2017

Soundtirol VII:
Sisyphos

Thomas Stolcis
„Es gibt kein Ziel, kein Ergebnis, auf das wir hin arbeiten. Alleine die Tatsache, dass wir Musik machen, ist schon das Ziel“, meint Michele Sterchele, der Dubmaster von Sisyphos. Die Band macht in erster Linie Musik. Damit hat sie ihr Ziel schon seit über zehn Jahren erreicht.

In der griechischen Mythologie wälzt Sisyphos den Stein einen endlosen Berg hinauf. Der Name Sisyphos steht deshalb heute als Metapher für endlose Mühe und erklärt damit die Haltung der Band hervorragend. In gewisser Weise ist das, was die Jungs machen eine endlose Arbeit. Auch, wenn sie befriedigend sein mag. 
Die Wahl des Namens vor gut zehn Jahren hatte ursprünglich keine tieferen Beweggründe. Dennoch passt er heute irgendwie wie die Faust aufs Auge. Die Reggae-Band Sisyphos rollt diesen Stein, ohne größeres Ziel. Sie macht Musik, der Musik wegen. „Ich sehe unsere Band nicht als fixe Konstellation von Leuten, sondern als eine Bewegung“, meint Michael Sterchele „jeder, der Lust hat in diese Geschichte Energie zu investieren, der schiebt einfach mal eine Zeit lang den Stein mit“. 

Ich treffe die bekannteste Südtiroler Reggae Band in ihrem Proberaum zu Hause in Mauls bei Sterzing. Ich bin zum ersten Mal in diesem Dorf, das auf mich eigentlich eher wie ein Konglomerat aus Bauernhöfen wirkt. In einem, dieser großen, alten, prächtigen Bauernhäuser sind Sisyphos zu Hause. Zumindest dann, wenn sie in Südtirol sind. Den Großteil des Jahres verbringen sie nämlich über ganz Europa verteilt. 
Wenn sie dann ab und zu hier zusammen kommen, dann wirkt das wie ein Revival. Es ist ein starker Kontrast: die Vibes des Reggae inmitten der Tiroler Engstirnigkeit. Dabei haben Sisyphos mit ihrem Soundlabel „Reggae from the Alps“ ihre Herkunft zum Stil gemacht. Für Michele Sterchele liegt es auf der Hand: „Wir haben die Lässigkeit der Italiener, aber die Genauigkeit des deutschsprachigen Raums. Dafür beneidet man uns Südtiroler.“ Genau das sind Eigenschaften, die eine wirklich gute Reggae-Band ausmachen. Lässig ist die Musik ohnehin. Aber damit sie auch so wirkt, muss sie präzise gespielt sein. Die Musiker müssen perfekt aufeinander abgestimmt und der Offbeat muss genau akzentuiert sein. 

In Südtirol hat Reggae eine lange Tradition. Bands wie „Cantina Roots“ und „We and them“ haben meine Jugend geprägt. Die Szene ist seit jeher klein, aber dafür sehr familiär. Man kennt sich über das ganze Land verteilt, unterstützt sich, tauscht sich aus und bucht sich gegenseitig. Für Sisyphos ist das nach Hause kommen deshalb auch besonders wichtig. Klar, zu Hause zu sein und Konzerte zu spielen ist immer etwas Besonderes. „È come una squadra di calcio che gioca in casa. A casa c’è sempre qualcosa di più, qualcosa di magico“, meint David Cuel, der Bassist und Sänger der Band. Dennoch kommen wir nicht umhin, auch politisch zu werden. Denn Südtirol macht nicht immer Platz für alternative Kulturen und macht es manchmal schwer, Vorurteile zu überwinden, wie David Cuel sagt: „A me da un po’ fastidio la mentalità che è un po’ serrata. Penso che sia anche un po’ l’influsso del cattolicesimo. Non è mai essere diretti con una persona, ma è sempre farci giretti intorno e parlare dietro le spalle.“ Das macht das Zuhause zu einer trügerischen Idylle und es führt auch bei Sisyphos zu einem Verhalten, das mir unter Südtiroler Musikern schon oft begegnet ist: Es gibt eine starke Identifikation mit der Heimat. Alle kommen gerne mal nach Hause, aber wirklich lange bleiben wollen viele oft nicht. Aber auch bei Sisyphos tut das der Musik eher gut, als dass es schlecht sein könnte. Reggae lebt vom unterwegs sein, dem Aufschnappen verschiedener Einflüsse und Kulturen und dem Zusammenbringen in eine gemeinsame Stimme.   

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