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September 25, 2016

“Waiting means for me another dead dream.” Theater + Musik @ Transart-Friday

Christine Kofler

Mit Waiting und Body Revolution brachte Transart am 23.9.2016 in Zusammenarbeit mit den VBB zwei Theaterperformances des irakischen Regisseurs und Schauspielers Mokhallad Rasem auf die Bühne des Studiotheaters im Stadttheater Bozen. Zwei Konzerte ergänzten den Abend, an dem Transart den Blick gegen Osten warf und drängende Themen unserer Zeit in den Mittelpunkt rückte: Flucht und Bürgerkrieg in Syrien.

Waiting & Body Revolution

Für die einen hat das Smartphone das Warten verdrängt. Einst verstrichen die Minuten langsam, bevor der nächste Bus kam – heute checkt man unterdessen E-Mail und Whatsapp. Für die anderen heißt Warten vor allem eins: Angst. Unsicherheit. Hoffnung auf Papiere. Enttäuschung, wenn nach Jahren die Abschiebung droht. In Waiting erkundet Mokhallad Rasem die Bedeutung des Wartens für Menschen in Europa in einer audiovisuellen Performance. Dabei bilden die Schauspieler die sich ständig verändernde Leinwand für die Interviewaufnahmen, in denen die Befragten ihre ganz persönliche Verbindung mit dem Ausharren erläutern. Wenn ein junger Flüchtling dann sagt: “Waiting means for me another dead dream,” nachdem er erfolglos für Jahre auf ein Visa hoffte, kommt einem unwillkürlich „Warten auf Godot“ in den Sinn. Beckets Theaterstück ist zum geflügelten Wort für den Zwang zum langen, sinnlosem und vergeblichen Warten geworden.

Deutlich abstrakter ist das zweite Stück des Abends. Body Revolution ist eine postdramatische Collage zwischen Wirklichkeit, Fiktion und Erinnerung. Aus Projektionen zerstörter Städte treten plötzlich Figuren hervor und geistern suchend zwischen den Trümmern umher. Die SchauspielerInnen sind Teil des Krieges und doch nicht, arrangieren sich zu einem Bild in einem ausgebombten Haus, streben wieder auseinander. Sinken sich zusammen. Stehen wieder auf, nur um wieder hart hinzufallen und sich erneut aufzuraffen. Wie wirkt sich permanente Angst um das eigene Leben auf den Körper aus? Wie können Menschen mit der Erinnerung an Krieg und Zerstörung umgehen? Mokhallad Rasems multimediale Performance stellt Fragen statt Antworten zu geben. Am Ende des Stücks fügen sich die Figuren wieder ein in die Ruinen und werden unsichtbar zwischen all der Zerstörung.

Omar Souleyman_z

Mashrou Leila + Omar Souleyman

Nach der Vorstellung fand der Abend in der Bahnhofsremise Bozen mit der libanesische Band Mashrou‘ Leila seine Fortsetzung. Die poppige Indie-Band, bestehend aus Gitarrist Firas Abou Fakher, Schlagzeuger Carl Gerges, Sänger Hamed Sinno, Geiger Haig Papazian und Bassist Ibrahim Badr, ist die erste Musikgruppe der Region, die das Cover von Rolling Stone zierte. Mashrou’ Leila vereint eingängige Poprhythmen mit traditioneller libanesischer Tanzmusik und stimmte das Publikum auf den Haupt-Act des Abends, den syrischen Sänger Omar Souleyman, ein. Dieser trat eine Stunde später als angekündigt auf. Das Warten wurde mit wummernden Beats und elektrifizierten orientalischen Keybordklängen belohnt, die eine mitreisende Tanzmusik zwischen 80er-Jahre-Pop und Drum ’n’ Bass ergeben. Mit seinem arabischen Kaftan, der Kufiya und der dunklen Sonnenbrille mit Goldrand wie die Karikatur eines arabischen Klischees aussehend,  ist der Hochzeitssänger mit dem Poker-Face und der steifen Gestik heute ein Popstar. Politische Themen soll Souleyman in seinen Liedern aussparen, stattdessen kommt habibi, was so viel bedeutet wie Geliebter, ziemlich oft vor. Immerhin einige Stunden lang siegte die Liebe über die schwarzen Nachrichten aus Syrien.

Titelfoto: Kurt Van der Elst. Foto 2: Omar Souleyman (c) franzmagagzine

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