Music

April 28, 2016

Soundtirol III: Revoltekk

Thomas Stolcis
"Das Vinschgau war immer schon ein armes Tal. Und da, wo die Menschen nicht viel haben, da wird man kreativ." Das sagt zumindest Hannes Götsch. Vor gut zehn Jahren hat er Drum&Bass ins Tal gebracht. Seitdem gibt er mit seinem Kollektiv Revoltekk in der alternativen Clubkultur den Ton an.

Die Promenade in Schlanders ist ein beliebter Aussichtspunkt im Dorf. An keinem Ort bekommt man so schnell einen so tollen Überblick über den Vinschger Hauptort. Der Blick auf das Dorf verrät so einiges. Er lässt mich allerdings im Dunkeln darüber, weshalb die so überschaubare Gemeinde, eine so florierende subkulturelle Szene hat. Natürlich ist auch der musikalische Mainstream in Schlanders durch die Musikkapelle und den “karaokefreudigen Cremona-Wirt” beeinflusst. Dazwischen finden sich aber immer häufiger kulturelle Lücken, die von motivierten, musikbegeisterten jungen Menschen gefüllt und vorangetrieben werden. Hannes Götsch ist einer davon. Im Vinschgau bis mindestens hinunter nach Bozen ist er seit Jahren ein musikalisches Alphatier. Dabei hat er noch nie wirklich selbst Musik gemacht.

Es ist einer dieser ersten Tage im Frühjahr, an denen sich das Wetter noch nicht so ganz entscheiden kann. Der Himmel ist wolkenbehangen, der Oberwind erspart uns den Regen und hie und da kommt dann doch die Sonne durch. Trotz launigem Wetter treffen wir uns auf der Schlanderser Promenade. Ein kontrastreicher Ort für ein Interview mit einem Pionier der Südtiroler Underground Clubkultur. “Das tolle an Südtirol ist,” meint Hannes Götsch, “dass man sich hier wirklich auf jede Jahreszeit freuen kann.” Sofort verstehe ich, warum der Gründer des Drum&Bass-Kollektivs Revoltekk nie wirklich aus Schlanders weggegangen ist. Für ihn ist diese ruhige, ländliche Gegend Teil der Inspiration. Und sie zeigt zugleich, dass es nicht immer die großen Städte braucht, um wirkliche kulturelle, alternative Wertschöpfung zu generieren.

“Das Projekt, wie bei vielem, denk ich auch, ist aus reinem Enthusiasmus geboren. Aus dem Wunsch heraus, einer alternativen Musik im eigenen Raum,” meint Hannes Götsch. Das zeigt: Am Ende des Tages braucht es nur einen eigenen Kopf, die tiefe Überzeugung, damit das, was man macht, eine Bereicherung für das Tal ist, und die nötige hyperaktive Ader, um Sachen selbst in die Hand zu nehmen. Götsch ist dabei der Fels in der Brandung. Viele Freunde und Wegbegleiter haben die Heimat zumindest für’s Studium verlassen. Er hat hier die Stellung gehalten. “Ich bin halt einer der wenigen ‘Dableiber’, die jetzt nach zehn Jahren noch im Tal ansässig sind und immer noch Veranstaltungen machen,” meint Hannes Götsch.
  Begonnen hat alles etwa um 2006. Damals dominierte eine Reggae- und Skawelle die Jugendzentren im Vinschgau. In den Wäldern wurde plötzlich elektronische Musik aufgelegt. Es waren solche musikalischen “Unorte”, an denen der elektronische Underground im Vinschgau Fuß fasste: Wälder, Wiesen und alte Bunkeranlagen. Erst von Zeit zu Zeit verlagerte sich die wachsende Szene in den öffentlichen Raum. Das lag damals wie heute auch daran, dass die Anzahl öffentlicher Orte im Tal, die offen dafür waren, solche Musik, also Drum&Bas, Downtempo, Dubstep, Drumfunk, aber auch Minimal Techno zu spielen, überschaubar war. Eigentlich gab es nur einen Club, der das machte: die Disco Ladum in Prad am Stilfser Joch. Und genau dort fasste Revoltekk als Musik- und Kulturkollektiv Fuß. Es wurden Partyreihen wie ‘Tinnitus’ oder ‘Bassilicum’ etabliert. DJs aus ganz Europa wurden eingeflogen. Revoltekk schaffte es, in der alternativen Musik- und Kulturszene im Tal eine zentrale Rolle zu werden, ohne die Jugend aber gnadenlos zu überrollen. “Ich würde nicht sagen, dass es viel größer geworden ist,” reflektiert Hannes Götsch, “aber es ist auf jeden Fall die Qualität immer besser geworden und auch die Szene ist im Kleinen gewachsen und auch wenn die nicht den Großteil der Szene im Tal einnimmt, ist mir das egal. Ich habe da schon versucht, die ganze Sache nachhaltig anzugehen.” Und das trifft es wohl am Besten.

Denn auch wenn Revoltekk und auch der daraus entstandene Kulturverein “kognitiv – Verein für Wahrnehmung” durchaus auf die Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit abzielen und ihnen das auch gelingt, so tun sie das immer im Sinne einer Langfristigkeit: “Es gibt Leute, die da eine schnelle Nummer machen wollen, die das schnelle Geld machen wollen. Das funktioniert dann für eine kurze Zeit, aber dann sieht man die Sachen immer wieder schnell abstürzen.” Und genau da liegt das Geheimnis. Es ist ein Prinzip, das in Südtirol scheinbar immer noch großen Erfolg hat: Musik machen oder veranstalten, weil man Spaß daran hat. Nicht davon getrieben sein, ständig zu wachsen und auch kommerziell erfolgreich zu sein, sondern in erster Linie etwas Gutes nicht profitorientiertes für die alternative Kultur im eigenen Raum zu tun. Diesen Weg hat Revoltekk in den letzten Jahren geebnet.

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