Music

February 11, 2016

Soundtirol I. Die Musikszene in Südtirol: zwischen Zeitgeist und Tradition

Thomas Stolcis
Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal diesen bekannten Südtiroler zitieren würde (muss). Aber Reinhold Messner hat sich einmal folgendes Zitat aus den Fingern gesaugt: "Aus der Ferne sieht man seine Heimat immer schöner." Warum dieses Zitat? Weil in dieser Serie sehr viel davon steckt.

Vor knapp sechs Jahren bin ich zum Studium nach Deutschland gezogen. Ich war in der Vinschger Ska- und Reggae-Welle sozialisiert, die die Jahre davor durch das Tal gezogen ist. Musik war (ist?) mein Leben und deshalb wollte ich auch alles versuchen, damit es dabei bleibt. Und was macht man, wenn man nicht Musiker werden will? Klar, irgendwas mit Medien. Musikalisch war diese Zeit für mich eine unfassbar inspirierende. Als Südtiroler war mir gute Popmusik größtenteils fremd. So wie ich das damals sah, gab es auf der einen Seite Volksmusik, Schlager und die Dorfdisco-Kultur und auf der anderen Seite eine Reihe subkultureller Strömungen, von Metal bis Punk hin zu Reggae, Ska und einigen Electro-Geschichten. Dazwischen kannte ich nicht viel. In Deutschland traf ich auf eine Generation, die sich mit dem Indie-Sound der 00er Jahre identifizierte. Eine ganze Popmusikkultur, die fernab vom Mainstream den Ton angibt. Plötzlich konnte ich alles unter Indie verbuchen, was ich gut fand und in der Offbeat-Schublade landete.Thomas StolcisIn dieser Zeit habe ich mich ziemlich abgenabelt von meiner Heimat. Überhaupt habe ich nie wirklich viel gegeben auf meine Herkunft. Ich bin eigentlich nie mit der Absicht nach Deutschland gegangen, um irgendwann wieder zurück zu kommen. Für mich war das Studium ein Weggehen von zu Hause, für nicht absehbare Zeit. Und das habe ich gelebt und auch geliebt. 

Irgendwann hat sich das schlagartig verändert. Ich bin immer noch in Deutschland, aber auf meine Heimat schaue ich heute mit Wehmut. Meine Reisen in die Heimat sind immer mit einer dicken Schicht Nostalgie belegt. Die Berge, das Essen, die Kultur und eben auch die gute Musik. Für mich ist das eine Zwickmühle, denn diese Sicht kann ich nur von Außen haben. Nur mit der nötigen Distanz kann ich so etwas wie Nostalgie oder gar Heimatliebe empfinden. Das hat automatisch zur Folge, dass ich, wenn ich zu Hause bin, irgendwann auch immer wieder los muss. Woher das kommt, weiß ich nicht; ich weiß allerdings, dass mich das wohl letztlich dazu bewogen hat, über die Musikwelt in Südtirol zu berichten. AverageÜber die Jahre hinweg bin ich der Szene über das Internet eng verbunden geblieben. Habe vieles mitbekommen, was mich fasziniert hat: Wie Max von Milland aus Berlin seine Heimat Südtirol musikalisch erobert hat, oder wie Mainfelt dort durchgestartet sind. Und immer habe ich mich gefragt, warum es denn so wenig von dieser qualitativ doch sehr hochwertigen Musik nach Deutschland schafft? Die einzigen, die in den letzten Jahren neben den Kastelruther Spatzen in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt haben, waren Frei.Wild – was dem Musikimage von Südtirol nicht unbedingt zuträglich war. Deshalb wollte ich zeigen, dass Südtirol aus musikalischer Sicht weit mehr zu bieten hat, als Philipp Burger und Norbert Rier. 

Ich habe mich also auf die Reise gemacht, habe Bands und Musiker besucht und mit ihnen über das Musikmachen in Südtirol gesprochen. Ich wollte schauen, wie weit sich die Szene in den letzten Jahren verändert hat, was gleich geblieben ist und unter welchen Voraussetzungen man heute Musik macht. Kenner der Südtiroler Musikszene haben mir erzählt, wie sie auf die Szene schauen und warum Südtirol sich absolut mit dem musikalischen Ausland messen kann. RevoltekkDaraus ist ein Film entstanden, mit dem ich mein Studium an der Hochschule für Musik in Karlsruhe abgeschlossen habe. Der Film ist die Geschichte einer Reise durch Südtirol, bei der ich meine Heimat erkundet habe, Musiker getroffen, feinste Südtiroler Musik gehört und gemerkt habe, dass ich mit meiner Sicht auf die Heimat nicht ganz alleine bin. Viele der Musiker mussten erst ihr zu Hause verlassen, um letztlich in Einklang damit zu kommen. Denn der Popkultur wird im touristischen und doch auch sehr konservativen Südtirol nicht immer der Platz eingeräumt, den sie vielleicht verdient hätte. Wenn also ein bestimmtes Level erst einmal erreicht ist, dann zieht es viele Künstler, und in meiner Geschichte im Speziellen Musiker, ins Ausland. Nur die Wenigsten bleiben zu Hause. Wenn doch, dann müssen sie in jedem Fall weite Strecken zurücklegen, um mit ihrer Musik erfolgreich zu sein. In dieser sechsteiligen Serie werde ich genau diese Musiker treffen. Junge, ambitionierte Musiker, die aus dem Ausland agieren und in Südtirol sehr erfolgreich sind, Musiker, die hier wohnen, aber auch viel Zeit im Ausland auf Tour verbringen oder schlicht Musiker, die durch die Berge und die privaten Umstände zwar eingekesselt sind, aber auch glücklich darüber sind. In jeder Folge mache ich bei einem Musiker oder einer Band Halt. Wir sprechen über Musik, über Kultur und über die ganz profanen, alltäglichen Dinge des Lebens. Los geht es in der ersten Folge im Vinschgau. In Schlanders treffe ich (in Folge II von Soundtirol) die Jungs von Wicked & Bonny.

Alle Fotos (1: Thomas Stolcis; 2: Average; 3: Revoltekk) + Videos: Thomas Stolcis 

Folge II von Soundtirol gibt’s hier, Folge III hier.

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