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January 13, 2016

Kunst- und Architekturschule bilding: Werktstatt für Kopf + Hand neuer Generationen

Anna Luther

bilding muss erst ein zweites Mal gefunden werden. Die Kunst- und Architekturschule in Innsbruck findet sich mitten im Rapoldipark zwischen Blumenbeeten und Parkbänken. Das Gebäude in eigenwilliger Architektur, erbaut und entworfen unter der Leitung von Verena Rauch und Walter Prenner von columbosnext gemeinsam mit Studierenden der Fakultät für Architektur, ist sehr freizügig – kaum ein Winkel ist durch die großen Fenster nicht sichtbar. Dort sitzt auch geschäftig die Leiterin von bilding, Monika Abendstein, in ihrem Büro. Da ihr vom Schreibtisch aus dauernd Kinder in das Blickfeld laufen, ist an ein kontinuierliches Interview kaum zu denken. Schon ist sie aufgesprungen und lacht mit ihnen, drückt den Eltern Flyer in die Hand und verlegt die Öffentlichkeitsarbeit vom Bildschirm mal eben ins Freie. bilding Foto Charly Schwarzbilding-Baustelle im Rapoldipark (Foto Charly Schwarz)

Das zumeist kostenlose Programm dieser einzigartigen Einrichtung in Österreich lädt Kinder und Jugendliche vo 4 bis 19 ein, ihre Kreativität, Fähigkeiten und Talente zu entdecken. Seit 2009 gibt es die Institution, bis 2013 trug sie den Namen KUNSCHTschule. Nach Namens- und Ortsänderung startet bilding nun mit neuem Elan durch. Monika Abendstein macht es sich nun mit mir, Kaffee und Schokolade gemütlich – um etwas weiter auszuschweifen, die Gesellschaft nach guter Manier zu kritisieren und ihre Ziele zu erläutern. 

Was macht ihr in der Kunst- und Architekturschule?

Wir wollen Kindern und Jugendlichen einen niederschwelligen Zugang zu Kunst und Architektur bieten, den Gestaltungswillen und die Gestaltungskraft fördern und Möglichkeiten aufzeigen, wie man dadurch die eigene Umwelt positiv verändern kann. Künstler_innen und Architekt_innen begleiten diesen Prozess und begegnen den Kindern und Jugendlichen als Kunstschaffende auf gleicher Augenhöhe. Es gibt keinen Unterricht mit klar definierten Lernzielen und Kompetenzbereichen, die “Lehre” besteht eigentlich nur im gemeinsamen kreativen Arbeiten in Werkstattatmosphäre. bilding - Foto Günter R. Wettbilding (Foto Günter R. Wett)

Versteht sich bilding als Gegenkonzept zur Schule?

bilding ist eine große Werkstatt, in der gestaltet wird, in der Kopf und Hand zusammen spielen. Das Verstehen läuft über das “Be-greifen” ab. In heutigen Schulen funktioniert die Wissensvermittlung nicht mehr praktisch, sondern in den meisten Fällen rein theoretisch. Wir sind aber nicht ein Gegenentwurf zur Schule per se, denn Schule steht noch immer für einen Ort, der Kontinuität, Lehre, geschütztes Umfeld, Beständigkeit und Ernsthaftigkeit symbolisiert. Da wir der Überzeugung sind, dass Kreativförderung und ästhetischen Bildung essentiell zum allgemeinen Bildungsauftrag gehören, ist uns der  Begriff Schule aber wichtig. Obwohl wir natürlich ganz anders arbeiten und Gedanken und Ideen experimental erforschen und gestalterisch umsetzen. Wir arbeiten durchaus ergänzend zur Schule und wollen zeigen, dass Wissensvermittlung und Kreativförderung sich auf geniale Weise ergänzen. 

Findest du, dass Medien und Smartphones für Kinder und Jugendliche gleich wichtig sind wie Spielen im Garten?

Im Aufwachsen ist es wichtig, auf ein gleichwertiges Gegenüber reagieren zu können. Die virtuelle Welt hängt nur von meiner Interpretation ab, in der ich machen kann, was ich will. Bei uns dürfen die Kinder auch das tun, was sie wollen. Aber sie erleben Feedback und Austausch, daran können sie wachsen und sich entwickeln. Der Mensch ist ein vielseitiges Wesen und wenn er sich nicht mit allen Sinnen spürt, dann hat er zu wenige Informationen. Die Digitalisierung reduziert unsere Sinne, das finde ich speziell im Hinblick auf die Entwicklung unserer Wahrnehmungsfähigkeiten und den Gestaltungswillen besorgniserregend und schade. 
Digitalisierte Lebensbereiche wie das Fernsehen oder Computerspiele lassen wenig Raum für aktives Mitgestalten. bilding steht für Konstruktives. Es ist nicht so leicht Gedanken, Ideen und Emotionen gestalterisch darzustellen, sodass es für dich selber stimmt und andere berührt. Kinder sind da viel schneller und direkter als wir Erwachsene und viel offener gegenüber den Arbeiten anderer. Im kreativen Arbeitsprozess entwickelt sich oft ein konstruktives Miteinander, wo Interesse und Neugier auf das jeweils andere wie selbstverständlich vorhanden ist. bilding steht daher auch für Integrieren. Klassische Leistungsmaßstäbe haben da keine Bedeutung, denn es geht nicht um Ergebnisse sondern um Entwicklung.  bilding Innsbruck

Was wollt ihr den Kindern und Jugendlichen mitgeben?

Es ist toll mit Kindern zu arbeiten, den Reichtum ihrer Fantasie zu erfahren. Sie stellen Fragen direkt aus einem Empfinden heraus. Und indem sie Dinge aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachten und ihnen Ausdruck verleihen, sind sie eine Bereicherung für uns alle. Es ist wichtig, dass sie selbstständig werden im Formulieren der eigenen Empfindungen. 
Wir möchten ihnen einen Freiraum geben, in dem sie sich ohne Leistungsdruck entdecken und ihre kreativen Fähigkeiten erfahren und weiter entwickeln können. Sie sollen merken, dass ihr Freigeist eine notwendige Basis für die Entwicklung von Neuem ist.

Monika Abendstein studierte in Innsbruck, Wien und Havanna Architektur. 2006 begann sie neben ihrer Tätigkeit als freischaffende Architektin als Architekturvermittlerin im aut. architektur und tirol in Innsbruck zu arbeiten. 2009 gründete sie die KUNSCHTschule für Kinder und Jugendliche und seit 2014 leitet sie bilding, die Kunst- und Architekturschule für Kinder und Jugendliche in Innsbruck. 

Falls nicht anders angegeben: alle Fotos bilding; auf dem Aufmacherfoto: Monika Abendstein

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