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September 25, 2015

Grotesk real: Kafkas Verwandlung der Südtiroler Bühnen

Anna Luther

Als Ungeziefer ist es nicht leicht, besonders im Haushalt der Familie Samsa. Am 24. September 2015 veranschaulichte das auch die Premiere des Stücks “Die Verwandlung” von Franz Kafka im Stadttheater Sterzing. Die Produktion des Freien Theaters Bozen in Zusammenarbeit mit der Stadtbühne Sterzing konfrontiert das Publikum mit der Leidensgeschichte eines fleißigen Mannes, Gregor Samsa. 
Der kleine Handelsreisende Gregor, verkörpert von Alexander Flache, wäre gerade missmutig, seinem verhassten Chef und vor allem seiner Familie zuliebe, zum Frühzug gegangen: Die Arbeit wartet. Doch in einen Mistkäfer verwandelt kann der Alltag nicht mehr bewältigt werden, in Schock und Hysterie krabbelt Gregor durch die Wohnung. Eltern und Schwester versuchen sich verstört, ohne ihren Versorger Gregor über Wasser zu halten. Schmuck wird verkauft und ein Untermieter gesucht, der sich aber beim Anblick Gregors wieder davonmacht. Nach und nach wird ihnen der Gedanke, dass dieser Mistkäfer eigentlich Sohn und Bruder ist, immer befremdlicher. Seinem Schicksal überlassen stirbt der Verwandelte schließlich verletzt und verhungert. Der Rest der Familie freut sich in grotesker Erleichterung über den Tod des Ungeziefers, in weißer Festtagskleidung feiern sie einen Neuanfang.

Die Handlung löst mulmige Gefühle aus und plötzlich fühle ich mich ganz wohl in meiner Haut, so menschlich. Gut, dass ich kein Mistkäfer bin. Kafka versteht es Kritik zu üben, er stellt unseren Umgang mit Tieren in Frage, beleuchtet aber auch das Thema Familie in unverblümter Art. 
Auf der Bühne unter der Regie von Reinhard Auer wirkt die Sprache noch ein wenig auswendig gelernt und überbetont, doch Mimik, Gestik und Leidenschaft verleihen dem Stück trotzdem überzeugende Ernsthaftigkeit. 

Gespielt wird bis 26. November 2015 in ganz Südtirol, weitere Termine auf www.ftb.bz.it.

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