Music

June 18, 2015

Andi Stecher und die Omnipräsenz der Klänge + Sounds

Kunigunde Weissenegger

Zum 3. Mal gibt das Festival für Gehörgelüste die Heart of Noise Vinyl Edition heraus: Nach Christoph Fügenschuh 2014 und Lissie Rettenwander 2013 bereitet Andi Stecher die Edition 2015. “austreiben antreiben” ist der Titel der Heart of Noise Edition 03 und am Samstag, 20. Juni gibt er beim Heart of Noise Festival 2015 um 23h im Stadtsaal das Release-Konzert. Er kommt aus Innsbruck, ist in der Welt – hauptsächlich in Berlin – zuhause und Komponist, Schlagzeuger, Perkussionist und elektronischer Musiker. Das ist uns zu wenig Info, wir wollen mehr von dir wissen, Andi Stecher

Du bist Komponist, Schlagzeuger, Performer, Perkussionist und Elektromusiker – in welcher Reihenfolge? 

Da gibt es keine Reihenfolge. Mein Interesse und meine Aktivitäten sind weit gefächert: Ich arbeite mit Tänzern und Performern, spiele in “klassischen” Bands, Freie Improvisation, Neue Musik; Kompositionen für meine Solo-Stücke, Beats und elektronische tanzbare Sachen und so weiter sind auch Teil meiner Arbeit. Ich mache so viel, wie geht, und das vermischt sich alles…

Was fasziniert dich an der Arbeit mit Klängen? 

Alles : ) . Klänge und Sounds sind omnipräsent, werden bewusst und unbewusst wahrgenommen und beeinflussen tägliches Leben: Den Fokus auf diverse Sounds zu setzen und sie zu untersuchen, zu erleben, zu verzerren, zu recyceln und für meine eigenen Stücke zu verwenden, ist Teil meiner Arbeit und fasziniert und fordert mich.

Wie ist es zur Auseinandersetzung mit den Maskenbräuchen gekommen und das Album “austreiben / antreiben” entstanden?

Ich bin schon seit langem fasziniert und interessiert von den Maskenbräuchen und diesen Winter-Frühlings-Übergangsritualen und kenne das schon seit meiner Kindheit in Innsbruck und Tirol. Generell sind Rituale und so weiter interessante Formen für mich. Interessant sind bei den Maskenbräuchen die trance-mäßigen Zustände dieser Figuren – und natürlich auch klanglich: durch ihre rohen, dunkeln und archaischen Sounds. Als ich vom Heart-of-Noise-Team die Zusage für das Release bekommen habe, hab ich natürlich überlegt, was möglich und interessant wäre für die Heart Of Noise Edition und das Release… – Ich mache verschiedenste Musik, aber es gibt bestimmte Ideen, Themen und Projekte, die ich besonders umsetzen will und etwas Persönliches zum Thema Brauchtum ist sicher eines davon. Im Rahmen des “Heart of Noise”-Releases mit Kompositionen zum Thema Maskenbräuche zu arbeiten, hat sich also super ergeben und passt mit dem Tirol-Bezug natürlich auch gut.
Musikalisch entstanden ist das Album dann so, dass ich zwei Tage in einem Studio in Berlin verbracht und dort viel und verschiedenstes Material aufgenommen habe – und auch mit Gastmusikern (Antti Virtaranta und Ottó Horváth) gearbeitet habe, um eine charakteristische Klangpalette für das Album zu schaffen. Ich hatte einige Ideen und Ansätze, aber auch viel Freiheit im Studio und schlussendlich habe ich dann mit dem gesamten Rohmaterial die Kompositionen erarbeitet.andi stecher - austreiben antreibenWie war dein Zugang?  

Ich habe mir für das Album verschiedene Szenen und Zustände aus diesen Bräuchen herausgeholt und sie persönlich interpretiert beziehungsweise vertont. Interessant ist für mich, dass diese Figuren und Bräuche oft sehr dunkel und düster sind und auch mit Angst arbeiten, aber schlussendlich auch etwas Neues, “Helles” bringen: Der Sound der vielen Glocken wirkt wie ein Wachrütteln aus dem Winterschlaf, die Bewegungen und Klänge sind sehr wild und roh und gehen tief. Man merkt, dass das sehr Altes, “Uriges” Zeug ist; Auch die von den Figuren oft ausgedrückten Zustände, wie Rohheit, Derbheit, Wildheit und so fort, die ja oft gesellschaftlich eher verpönt sind, finde ich interessant und haben mich für das Album inspiriert.
Das Album selbst ist in verschiedene Stationen aufgeteilt: Track 1 ist vor dem Übergang, dem Ritual. Der Name “(un)durchdringbar” zeigt schon auf, dass es sich um einen komplexen und aufgeladenen Zustand handelt, der scheinbar undurchdringbar ist.
Track 2 und 3 sind Möglichkeiten und Ansätze für Übergänge – dieser Switch Winter–Frühling beispielsweise, aber natürlich auch generell. Es ist sozusagen die Vertonung der Passage zwischen Alt und Neu. 
Das letzte Stück “Tödi” is die Auflösung, Tod und Leben gleichzeitig, süß und schmerzhaft, Altes gehen lassen und Platz für Neues schaffen – der Lebenszyklus. 

Wie hast du recherchiert? – …warst du in ganz Europa unterwegs, nicht nur in Tirol…? 

Da es ja ein sehr persönlicher Zugang ist zu den Bräuchen und mein Fokus auch mehr auf den Charaktereigenschaften bzw. Themen der Maskenbräuche liegt, habe ich hauptsächlich Bücher und Berichte über die Bräuche und Riten studiert. Ich war in Tirol unterwegs, europaweit leider (noch) nicht, will natürlich aber auch das Projekt weiterführen und mehrere Orte Besuchen.

Was kommt danach?

Also nach dem Release-Konzert am 20ten Juni am Heart of Noise Festival bleibe ich noch ein paar Tage in Innsbruck. Dann, am 3. und 4. Juli, spiele ich (als Drummer) mit Lydia Ainsworth am Roskilde Festival in Dänemark und am Egersund Folk Festival in Norwegen. Dann gibt’s für mich mal eine musikalische Sommerpause: Ich gehe für 2 Monate auf die Alm. – Als Ausgleich zum Stadtleben und zum Fit-Werden, und um in der Natur zu arbeiten – ich freu mich drauf. (Obwohl ich dort natürlich auch versuchen werde Fieldrecordings zu machen, an meinem Zeug zu arbeiten…) Dann ab September 2015 geht es weiter mit einer kleinen Tour mit Andrea Belfi, bei der wir unsere Solo-Sets präsentieren. 

Dann gibt es: ein neues Album mit Malfinia Ensemblo, Album und Shows mit Roman Catholics (im Duo mit DuChamp), und hoffentlich das Release von TRILOBIT und die Tour dazu; eine Residency mit Eliad Wagner @ Q-02 in Brüssel; Beats + Experimental Hiphop Stuff mit DJ Scotch Bonnet (Small But Hard Crew!) und vieles mehr, hoffe ich.
Solomäßig werde ich versuchen verschiedene Linien und Channels zu verfolgen. Einerseits mehr Beats, Noisehop, Idm-Stuff und anderseits Kompositionen, Installationen etc. Ich würde sehr gerne noch dieses Jahr anfangen, an einem Solo-Stück oder -Album zum Thema der Jenischen zu arbeiten. Ich bin familiär damit verbunden und auch sehr interessiert an der Kultur, Sprache und an Fahrenden Völkern generell. Das wird, hoffe ich, ein größeres Projekt – also wirklich herumfahren, Leute treffen, Stücke mit Jenischen Texten schreiben etc. …ich bin gespannt, was draus wird. Es ist mir auch wichtig, da persönlich mehr darüber zu erfahren und zu lernen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, diese Kultur wieder zu beleben und vielleicht neue Zugänge dazu zu finden. 
Natürlich will ich auch mit dem jetzigen Thema der Maskenbräuche weiterarbeiten. Ich habe noch einiges an Material vom Studio und würde gern noch eine Platte dazu machen bzw. vielleicht auch eine Installation. 

Wonach wirst du niemals aufhören zu suchen? 

Ich habe verschiedene Ziele und Sachen, die ich erreichen, leben und erleben will, nicht nur musikalisch sonder auch privat. Das ist weniger ein Suchen, es geht vielmehr schon in die Richtung Lebensweisen, Ziele, Standpunkte etc. Ich hoffe und werde versuchen, niemals aufzuhören nach diesen Sachen zu suchen und sie auszudrücken. Danke euch!

Foto: Phil Dera

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