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April 13, 2015

Andy Rufus + Geena B.: ein lautes Servus zum Abschied + “Weniger Äpfel!”

Kunigunde Weissenegger
"Was uns in Südtirol zum Großteil als Kultur vorgegaukelt wird, ist meist schon entweder Dagewesenes oder einfach nur am Schreibtisch konzipiertes, doppelhintergründiges Konzeptgetue." – Die ehemaligen "StandArt & Poors Social Club"- und "Geena's Own"-BetreiberInnen im Interview.

Mitte März 2015 ging es mit der “schrägen Bude” – wie Andreas Geier und Barbara Trenti, besser bekannt als Andy Rufus und Geena B., ihre Kulturwerkstatt auch nennen beziehungsweise nannten – zu Ende. Traurig, aber leider wahr, und kein nur so daher gesagter Spruch. Die Räumlichkeiten in der Nodlinstraße 4 in Leifers beherbergten zum einen den StandArt & Poors Social Club, eine Kultur- und Musik-Bar, sowie Geena’s Own, Strickcafé, Laden und Schneiderei mit upcycled und handgemachter Kleidung und Mode und dem Modelabel Gina Fiore handmade&organic fashion, von dem eigentlich alles ausging. Ein Konzept, das in anderen Städten wie Berlin oder Mailand hundertfach existiert und funktioniert, in Südtirol und Leifers jedoch anscheinend an Grenzen stößt.

Ganz nebenbei sind Geena B. und Andy Rufus MusikerInnen. Vielleicht ging’s auch deshalb bei ihnen nie ruhig (auch im übertragenen Sinn) und fad zu: Bands wurden aus der Taufe gehoben, KünstlerInnen meisterten ihren ersten Auftritt, bekamen die Möglichkeit, der Öffentlichkeit erstmals ihre Arbeiten zu zeigen, Menschen trafen zusammen, redeten miteinander (!) und heckten gemeinsam Neues aus… Damit ist nun nach zwei Jahren, 1.280 Mitgliedern (!), 100 Konzerten, 23 Vernissagen und ungefähr 40 Themenabenden Schluss! – Warum? Wie geht’s weiter? Wohin? – Wir wollten mehr und alles wissen und haben bei den beiden umtriebigen kreativen Geistern und Kulturschaffenden Andy Rufus + Geena B. nachgefragt.

Sagt ihr zum Abschied leise Servus…?

Na ja, so leise nun auch wieder nicht. Überhaupt war der StandArt & Poors Social Club kein bisschen leise, auch wenn sich Alto Adige und Dolomiten strikt geweigert haben, den Namen auch nur zu nennen. Jedenfalls konnte der StandArt & Poors Social Club in seiner zweijährigen Tätigkeit über 100 Konzerte, 23 Vernissagen und zirka 40 Themenabende verzeichnen. Dazu kommen noch die Angebote in Zusammenarbeit mit weiteren Initiativgruppen die von Tai Chi über Yoga und Pilates bis hin zu Näh- und Strickkursen reichten.

Dann scheint es doch gut gelaufen zu sein? Warum ist nun Schluss? 

Nun, wir haben zunächst gezeigt, dass es auch ohne öffentlich Hilfe geht, und dass man auf ganz legale Weise bürokratische Hürden, wie etwa SIAE und weitere Stempelgebühren, umgehen beziehungsweise lockern kann. Allerdings sind diese Wege zwar gesetzlich erlaubt, von den öffentlichen Körperschaften deshalb aber noch lange nicht geduldet. Dies beruht wohl hauptsächlich darauf, dass letztere hauptsächlich wissen, was verboten ist, jedoch nicht, was erlaubt ist. Das war’s dann auch schon… Denn der StandArt & Poors Social Club war, im Grund genommen, ein Nebenprodukt des Labels “Gina Fiore”: Als Unterstützung dieses Labels sollte der Club ursprünglich fungieren. Er ist dann aber spontan mit Hilfe des Publikums zu einem kleinen “Begriff” herangewachsen und hat immer mehr Zeit und Aufwand in Anspruch genommen, sodass wir irgendwann einen “schmerzhaften” Entschluss fassen mussten.

…den Entschluss zu schließen? 

Ja, den Entschluss zu schließen. Beides konnten wir nicht mehr machen. Also mussten wir uns entscheiden. Und wir können dir sagen, dass wir nicht geschlossen haben und dann “endlich” geseufzt haben. – Es war einfach eine total geile Zeit.Was habt ihr denn angestellt? 

Wir haben den Leuten immer wieder und auf verschiedene Weise mitgeteilt, worum es bei Kultur wirklich geht. Viele haben mit der Zeit verstanden, dass sie selbst für Kultur zuständig sind. Kultur ist einfach eine spontane Reaktion auf Bedürfnisse, Misstände und Vorlieben einer momentanen Gesellschaft. Die KünstlerInnen machen Kunst und reagieren darauf. Die Kultur entsteht am Rande der Bühne, sozusagen als Identität des Zuschauers. Somit ist Kultur etwas höchst persönliches und kann einfach nicht von oben herabgesenkt werden. Kultur ist keine großzügige Gabe eines “wohlwollenden” Provinz-Politikers. Was uns in Südtirol zum Großteil als Kultur vorgegaukelt wird, ist meist schon entweder Dagewesenes oder einfach nur am Schreibtisch konzipiertes, doppelhintergründiges Konzeptgetue. Vieles davon gehört bestenfalls ins Museum – den Rest übernimmt die Spülung. 

Was habt ihr bewegt?

Vor allem haben wir die Leiferer Gemeindepolizisten bewegt. Jedenfalls sind gleich neun von ihnen eines Abends um 19.00 Uhr mit irgendeinem windigen Vorwand ins Lokal gestürmt und haben alle 12 (!) Gäste, darunter auch einen Gemeinderat, um Dokumente gefragt und fotografiert, um schlussendlich festzustellen, dass einer davon nicht Mitglied des Clubs war, was uns wiederum einen Strafzettel von 1.200 Euro einbrachte. Ansonsten haben wir sehr viele Menschen – schließlich hat der Club 1.280 Mitglieder – dazu bewegt, abends von Bozen, Meran, Brixen und Trient nach Leifers zu kommen. Damit ist nun Schluss, denn ihr habt vor zu gehen: Hamburg ist nun zunächst euer Ziel. Was habt ihr dort vor? 

Ein Nischenprodukt, so wie das Modelabel Gina Fiore es eines ist, benötigt von seinem Naturell her einen größeren Aktionsbereich, sprich ein Gebiet, in dem so viele potentielle AbnehmerInnen wie nur möglich angesprochen werden können. Wir werden in Hamburg dann vor Ort bereits bestehende Zusammenarbeiten intensivieren. Ein Geschäft beziehungsweise Lokal werden wir dort nicht eröffnen.  

Und warum geht das nicht auch in Leifers oder Bozen oder irgendwo in Südtirol?

In Südtirol herrscht ein alt eingefahrenes System. Zwar kann man den Eindruck gewinnen, es wäre möglich, sich einzugliedern, jedoch täuscht das: Im besten Fall WIRD man eingegliedert. Wenn man sich dann gar nicht eingliedern will, sondern einfach alleine seinen Weg gehen will, dann kann das schon mal zu grotesken Situationen führen. Dieses System hat sicherlich auch viel Gutes, denn anscheinend funktioniert es auch hervorragend. Da sollte man dann nicht hergehen und alles ändern wollen, zumal die Bevölkerung selbst damit einverstanden zu sein scheint.  

Wird es ein Wiedersehen geben? Kommt ihr irgendwann mal zurück? 

Ja sicher, regelmäßig sogar. Wir sind keineswegs auf der Flucht. Überdies sind wir uns unserer Wurzeln durchaus bewusst. … Allerdings verwechseln wir diese nicht mit Ketten. Wir haben hier unsere Verwandten, Bekannten und Freunde. Und durch unsere bisherige Tätigkeit konnten wir eine Vielzahl an wirklich hochkarätigen KünstlerInnen kennen lernen. Ich traue mich zu sagen, dass wir in Südtirol eine überdurchschnittlich begabte KünstlerInnenschaft haben. … Allerdings sind das nicht die Namen, die man üblich und in regelmäßigen Abständen in unseren Zeitungen liest. 

Was wünscht ihr uns zum Abschied?  

Weniger Äpfel!

Foto: Geena B. & Andy Rufus – StandArt & Poors Social Club, Leifers/Laives

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