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November 25, 2013

39NULL, die 2. – größere Herausforderung – doch sie bleiben dran

Kunigunde Weissenegger

Bald ist es soweit: Nummer 2 von “39NULL – Das Magazin für Gesellschaft und Kultur” erscheint voraussichtlich im Februar 2014. Die Macherinnen und Macher arbeiten fleissigst daran, dass wir wieder ein inhaltlich spannendes und ästhetisches Magazin in den Händen halten und sammeln über die Crowdfunding-Aktion auf krautreporter.de Geld für den Druck. (Wer das Medien-Projekt unterstützen will – das geht noch 20 Tage, also hurry up! – darf hier klicken, lesen und spenden:krautreporter.de/de/39NULL_2.)

Wir wollten mehr über die neue Nummer wissen und haben uns mit Martin Santner, dem Chefredakteur von 39NULL unterhalten. Martin kommt aus Naturns, hat in Wien und Berlin Kultur- und Sozialanthropologie, Philosophie und Politikwissenschaften studiert. In Deutschlands Hauptstadt hat er auch die Freie Journalistenschule Berlin besucht und leitet seit Mai 2013 die Redaktion von 39NULL. Er reist und liest gern und viel: “Gerade erst bin ich mit vielen tollen Eindrücken aus dem kreativen Krisenland Griechenland zurück gekehrt,” erzählt er mir im Chat. Und bevor ich mit den Fragen losschieße, fügt er hinzu: “Ich wünsche mir mehr Offenheit und Mut zum Fortschritt und hoffe gerade  auf die Aufnahme in die Künstlersozialkasse.”

Martin, das Thema der nächsten, zweiten Ausgabe von 39NULL ist seit Kurzem kein Geheimnis mehr. Es heißt “Das Fremde”. Wie das? 

Die Thematik der Fremdheit bewegt die Menschen seit jeher und hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt, im Gegenteil. Im Spannungsfeld der Wirtschafts- und Finanzkrise ist Europa politisch nach rechts gerückt: Die Wirtschafts- und Finanzkrise war und ist ein hervorragender Nährboden für rechtes Gedankengut, wie in vielen europäischen Ländern zu beobachten ist. Denken wir nur an die Flüchtlingsproblematik auf Lampedusa, den NSU-Skandal in Deutschland oder die homophoben Übergriffe in Russland. Fremde, also Menschen anderer Herkunft bzw. Andersdenkende, werden vermehrt als Bedrohung und Störung wahrgenommen, sie dienen als Projektionsfläche für Ressentiments und kollektive Feinbilder, und sie gelten nicht selten als Sündenböcke für die existenzbedrohende Krise in vielen Ländern. Wenn man sich umschaut, haben Ausländer- und Schwulenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie überall zugenommen und bedrohen unser so mühsam aufgebautes demokratisches und liberales Denken. 

Wir wollen uns näher damit beschäftigen und herausfinden, was genau uns als fremd erscheint und warum wir es, das Fremde, ablehnen, es uns aber dennoch fasziniert: Menschen, einzelne oder Gruppen, ganze Kulturen, Sprachen, Religionen, Ästhetiken, Moralvorstellungen, politische Systeme, Körper, Tiere und Pflanzen, die natürliche und die soziale Umwelt können als andersartig, unvertraut und deshalb die eigenen Vorstellungen in Frage stellend in Erscheinung treten. Fremdheit beschreibt das, was uns als anders, unheimlich, unerforscht erscheint, was wir oft als störend, bedrohlich und unzugänglich wahrnehmen. Aber auch etwas Vertrautes, das sich von seiner unbekannten Seite zeigt, kann uns fremd anmuten. Wir wollen wissen, welche Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen eine friedvolle, konstruktive Begegnung mit dem Fremden bereithält. Schließlich ist Fremdheit eine Grunderfahrung des Menschen. Von Geburt an sind Begegnung und Interaktion mit dem Anderen, dem Fremden, selbstverständlicher und integraler Bestandteil des alltäglichen Lebens. Der Umgang damit ist zentral für die Bildung von Identitäten und das Zusammenleben von Kulturen. Uns wurde gewissermaßen das Handwerkszeug dazu in die Wiege gelegt, mit fremden Situationen und Menschen umzugehen. Fremdheit wirkt gemeinschaftsbildend nach innen und abgrenzend nach außen – symbolisch, ideologisch oder politisch. Gerade in der globalisierten Postmoderne und den mit ihr einhergehenden Veränderungen gewinnen die Fragen nach Fremdheit, ihrer Definition, Bestimmung und Zuschreibung noch stärker an Bedeutung als je zuvor.

39Null Magazin für Kultur und GesellschaftDie 39NULL-Macherinnen und Macher v.l.n.r.: Martin Santner, Lukas Marsoner, Barbara Weithaler, Martina Wunderer, Julia Egger. Auf dem Foto fehlt Verena Wisthaler. Foto: Alexander Gehring

Verratet ihr uns auch ein paar Namen und Autorinnen und Autoren bzw. Inhalte?

Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir so viele tolle und kompetente Mitwirkende für die zweite Ausgabe gewinnen konnten. Die wohl bekanntesten Südtiroler AutorInnen sind sicherlich Joseph Zoderer, Ulrich Ladurner, Rut Bernardi, Roberta Dapunt, Alessandro Banda, Paolo Valente, Paul Rösch und viele mehr. Der Historiker Georg Grote, der bereits zahlreiche Bücher über die Südtiroler Geschichte verfasst hat, wird auch mit dabei sein, ebenso wie die Stern-Reporterin Luisa Brandl und der Chefredakteur des Kulturpolitik-Magazins “The Outpost”, Ibrahim Nehme aus Beirut. Insgesamt werden es wieder knapp 30 AutorInnen, FotografInnen und IlustratorInnen sein, die die zweite Ausgabe von 39NULL mitgestalten. Über die Inhalte möchten wir noch nicht so viel erzählen, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass es ein rundum spannendes, kluges und differenziertes Heft zur Thematik werden wird.  

Was wird bei der zweiten Ausgabe anders? Was wird besser?

Die zweite Ausgabe gilt ja – ähnlich wie in der Musikbranche das zweite Album – bekanntlich als größere Herausforderung als die erste. Wir waren überwältigt, wie gut 39NULL von den LeserInnen angenommen wurde und dass mittlerweile fast alle Exemplare der ersten Ausgabe verkauft sind. Deshalb waren wir voller Motivation und Tatendrang, eine zweite Ausgabe zu produzieren. Wir werden diesmal mehr Texte, aber auch mehr Fotostrecken von jungen FotokünstlerInnen bringen. Auch beim Layout wagen wir uns an neue Ideen heran, schließlich möchten wir die unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten ausnutzen und uns zusammen mit den Mitwirkenden jeder neuen Ausgabe in einen gemeinsamen kreativen Prozess einlassen.  

Stichwort Molly Nilsson. Wer ist sie und warum gehört sie diemal zu 39NULL dazu?  

Ich bin bereits seit Jahren mit der schwedischen Musikerin eng befreundet, und sie hat den Beginn von 39NULL mit Interesse verfolgt. Molly Nilsson arbeitet, ähnlich wie 39NULL, nach der Logik des Do-it-Yourself-Prinzips. Alles bei Molly Nilsson ist selbstgemacht: Musik, Texte, Video, Performances. Das ist beeindruckend, und mit solchen Künstlern zusammenzuarbeiten macht großen Spaß. Ideelle Unabhängigkeit und kreative Selbstbestimmung sind nun mal die besten Zutaten für ein erfolgreiches Projekt, das schätzt auch die Öffentlichkeit immer mehr. Für KünstlerInnen bedeutet das natürlich mehr Arbeit, dafür aber bleiben sie in ihrem Schaffen frei. Das Video zur diesjährigen Crowdfunding-Aktion wurde musikalisch und visuell von Molly Nilsson exklusiv für 39NULL produziert. So wagt auch sie sich zusammen mit 39NULL an die Thematik der Fremdheit heran und setzt sich, wie wir finden, auf gelungene Art und Weise damit auseinander. 

Apropos Crowdfunding – wie läuft’s denn diesmal damit? – Ihr macht es ja nun schon zum 2. mal, scheint also zu klappen…?

Zum Zeitpunkt des Interviews hatten wir knapp 1.000 Euro gesammelt. Nicht schlecht für den Anfang, und wir hoffen, dass in den nun verbleibenden 20 Tagen – so lange läuft die Aktion – die Zielsumme von 3000 Euro noch zusammenkommt. Bei der ersten Ausgabe waren wir etwas vorsichtiger, schließlich war es auch unsere erste Crowdfunding-Aktion, und wir konnten nicht abschätzen, wie viel die Menschen bereit sind zu spenden. Deshalb haben wir erst mal einen niedrigen Betrag angesetzt, hatten aber am Ende mehr als das Doppelte gesammelt. Es war wirklich unglaublich, wie groß die Unterstützung seitens der LeserInnen war, und die erste Ausgabe von 39NULL konnte dank ihrer Hilfe gedruckt werden. Nun ist es aber so, dass ein Print-Magazin unheimlich hohe Produktionskosten verursacht. Auch die bei der ersten Aktion eingenommenen 3.600 Euro reichten nicht aus, um diese zu decken, wir konnten aber durch den Verkauf der ersten Ausgabe den Rest aufbringen. Dieses Mal können wir auf die gemachten Erfahrungen zurückgreifen und konnten daher eine bessere Kostenkalkulation erstellen. Auch mit der diesmal veranschlagten Zielsumme von 3.000 Euro wären die Druckkosten nicht vollständig gedeckt. Wir versuchen daher, den Restbetrag über Sponsoren einzuholen. Ziel ist es sicherlich, in Zukunft auf eigenen Beinen zu stehen, sodass wir auch faire Honorare an die Mitwirkenden zahlen können, schließlich möchten wir Kreativ-Arbeit fördern und nicht ausbeuten. Auch unsere Arbeit am Magazin kostet viel Arbeit und Energie und sollte in Zukunft nicht unbezahlt bleiben. Wir würden uns also sehr freuen, wenn es auch dieses Mal wieder klappt und viele 39NULL unterstützen, damit wir für die LeserInnen weitermachen können.

Zum Crowdfunding: krautreporter.de/de/39NULL_2
Zur Facebook-Seite: www.facebook.com/39NULL

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