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October 21, 2013

77 Stolen Fish bei Alps Move: Heavy Composition in White – das Spiel im Spiel

Kunigunde Weissenegger

77 Stolen Fish sind eine Gruppe bunt durchmischter, junger Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt, die sich 2011 bei einem Intensive-physical-theater-Kurs  in Berlin kennengelernt haben. Die künstlerischen Hintergründe der Menschen des Performing-Art-Kollektivs sind Schauspiel, physisches Theater sowie zeitgenössischer und moderner Tanz, Contact Improvisation, Movement Research, Butoh und Improvisation. Das Kollektiv ist dieses Jahr erstmals Gast des Tanz-Theater-Festivals Alps Move: Am kommenden Samstag, 26. Oktober 2013 nehmen sie uns ab 20 Uhr im Stadttheater Bruneck mit in ihre Spiel-Performance “Heavy Composition in White (The Game)”. Uns hat die Neugierde gepackt, wir wollten mehr wissen und haben nachgefragt.

Wie kommt ihr auf den Namen 77 Stolen Fish – was bedeutet das?

Der Name “77 Stolen Fish” kommt aus einer lange Diskussion an einem schönen Abend: Es wurde endlos hin- und her überlegt, was denn der passendste Name für ein derartiges Kollektiv sei. Marielle aus unserer Gruppe arbeitete zu dieser Zeit an einem ihrer Stücke, in welchem unter anderem ein Plastikfisch eine wichtige Rolle spielte. Dieser Fisch war bereits seit Längerem vermisst. Ganz zufällig schoss ihr der Gedanke bezüglich ihres Fisches mitten der Diskussion durch den Kopf und sie sagte lauthals: “Who stole my fish?” Und so kam es zum STOLENFISH. Die 77 stammt aus einer Aneinanderreihung der Zahlen der Namen der Mitglieder des Kollektivs (???).

Worauf konzentriert ihr euch als Kollektiv in eurer Arbeit?

In unserer Arbeit konzentrieren wir uns auf Authentizität und “EchtSein” auf der Bühne und während des Performens geht es nicht darum, eine Rolle zu spielen, sondern dich selbst in Szene zu setzen. Zudem spielen Raum, Aufmerksamkeit auf das Jetzt, Improvisation und die Gruppe als solches eine bedeutende Rolle. Auch das Publikum wird stets förmlich in das Geschehen hinein geworfen.77 stolen fish - Sebastian HöingWas hat es mit dem Titel eures neuesten Stückes “Heavy Composition in White – The Game” auf sich?

Die Entstehung dieses Stückes geht eigentlich aus zwei vorhergehenden Teilen (Stücken) hervor: Der erste Teil hatte damit zu tun, wie wir den Raum transformieren können. Wir haben mit schweren und leichten Energien, Bewegungen, Ausdrücken in Raum, Zeit, Kraft, Form gearbeitet. Als Basis dafür wurde immer die Improvisation angewendet, die uns ermöglichte, den Raum zu verändern. Aus diesem Grund steckt im Name “Heavy Composition” die Schwere und in “in White” die Leichtigkeit. Nach dieser ersten Studie haben wir weiter geforscht und das Stück veränderte sich zunehmend in einen Raum, wo FreundInnen unter sich als eine Art “SpielkollegInnen” agieren und experimentieren… Der Fokus blieb aber immer noch darauf, wie der Raum, insbesondere die zwei Gegenpole “schwer und leicht”, innerhalb der Aktion balanciert werden können. Bereits hier sind wir mit dem Thema Regeln und Normen innerhalb einer Gesellschafts-, Gruppenstruktur in Kontakt gekommen. In der jetzigen, dritten Studie haben wir bemerkt, dass die Thematik zu breit war, deshalb haben wir unseren Fokus nur auf “Regeln innerhalb einer Gruppe” gelegt. Durch langes Sitzen, Diskutieren, Spielen und Experimentieren haben wir ein Spiel kreiert, welches der Form eines üblichen Brettspiels sehr nahe kommt: Es gibt Spielfiguren, AuswechselspielerInnen, Aussetzen, eine/n ModeratorIn, SchiedsrichterInnen und dies alles anhand einer bewegten Performance “on stage”.

Ist das Leben (bloß) ein Spiel? Mit Gewinnern und Verlierern?

Diese Frage haben wir uns auch des Öfteren gestellt. Besonders durch dieses Stück kamen wir Regeln, Normen, unserem System und unseren innehaltenden Mustern immer näher. Ja, das Leben ist vielleicht mehr eine Art Spiel, denn wie oft spielen wir eine Rolle, die wir vielleicht insgeheim nicht wirklich vertreten und nur aus gesellschaftlichen Gründen nach Außen hin tragen müssen? Wenn wir nicht fähig sind zu spielen, kann es sein, dass wir untergehen. Andererseits schwimmen wir durch dieses perfekte Spielen einer Rolle blindlings mit den Fischen im Strom… Es ist nicht unser Ziel, diese Frage zu beantworten, sondern vielmehr diese Frage zu untersuchen und sich selbst bewusster zu machen, wann ich spiele und wann nicht. – Und ob es sinnvoll ist, das Leben als Spiel zu betrachten oder nicht.

Und Regeln? – Sind da, um sie zu brechen…?

Da stellt sich vielmehr die Frage was wir unter Regeln verstehen und ob diese Regeln nur von uns selbst als Individuum aufgesetzt worden sind oder nicht. In der Entwicklung des Stückes haben wir immer wieder gesehen, dass wir eigentlich immer die Möglichkeit haben, Regeln zu brechen, doch selbst oft nicht den Mut und auch den Willen haben, unsere gewohnten Muster, die uns wohl von Außen aufgetragen worden sind, zu ändern. Doch letztendlich sind Regeln nur ein erfundener Mechanismus, den wir für das Zusammenleben entwickelt haben… Die Frage ist, wie wir die Regeln auf eine intelligente Art und Weise erkennen und für uns am Besten in das eigene Handeln einbetten können. Und zudem werden wir vielleicht auch bald vor die vollendete Tatsache gestellt, dass wir die Regeln brechen müssen…. Viele Fragen und viele Antworten finden wir gemeinsam mit dem Publikum in unserem Stück!

Infos und Programm und Karten: www.alpsmove.it

Fotos von Sebastian Höing

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