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July 9, 2013

Maria Mathieu, erste GAP-Atelierhaus-Künstlerin: „ein gelungenes Kunstwerk und immer mehr Glurnser Frauen, die mich lächelnd grüßten“

Kunigunde Weissenegger

Sie ist in Saarlouis geboren, das damals noch zu Frankreich gehörte (wie Elsass und Lothringen, die jedoch französische Departements geblieben sind). Ihre Grenzlanderfahrung hat sie sensibel gemacht für Orte und ihre Menschen. Sie erzeugte bei ihr auch eine gewisse Heimatlosigkeit. – Vielleicht hat es das Schicksal auch deshalb so gewollt, dass Maria Mathieu als erste Künstlerin in das kürzlich wieder eröffnete Atelierhaus des Glurns Art Point GAP in Glurns einzog und dort bis vor Kurzem für einige Monate lebte und arbeitete. 

„Da mir die hochdeutsche Sprache zunächst einmal fremd war, prägte sich bei mir ein stark bildhaftes Gedächtnis aus. Was mich für die Kunst prädisponiert hat. Und  sich heute noch in  Werktiteln, wie z. B. ‘Wie lang ist ein Weg N° 1 – N° 33?’ zeigt,“ erzählt Maria Mathieu mir. Während ihrer Kinderaufziehphase schrieb sie Prosastücke und Lyrik. Von 2002 bis 2009 studierte sie an der Hochschule für Künste in Bremen freie bildende Kunst, mit einem Master in konzeptueller Zeichnung. „Dass ich dabei mit 54 Jahren eine Ausnahmestudentin war und mit 60 Jahren meinen Master machte, tut sicher nichts zur Sache… Doch spricht es für die G.A.P-Leute, dass sie sich davon nicht haben beeinflussen lassen,“ fügt sie hinzu. Maria Mathieu - AmazoneMaria Mathieu, welche Themen beschäftigen dich und wie verarbeitest du sie? 

Während meines  Gaststudiums in Toulouse  2007/2008, machte ich eine Wanderung durch den Süden Frankreichs, von Marseille bis in die Pyrenäen. Aus diesen Eindrücken entstand  eine  serielle Druckgrafikreihe mit dem Titel: ‘Ich als Amazone in den Kleidern der Jeanne d’Arc N° 1 – N° 33′, welche sich bis  heute entwickelt. Es sind Unikate aus Linolschnitten auf Siebdruck. In dieser Reihung verarbeite ich in ironisierender Weise die Themen ”Frauen – Kirche – Religionskriege“.
Parallel dazu begann ich mit den konzeptuellen Zeichnungen ‘Wie lang ist ein Weg N° 1 – N° 20?’. Zur eher streng gegliederten Vorgehensweise der konzeptuellen Zeichnung, in der ich stets von den Gegebenheiten meines Körpers, meiner Schrittlänge, meiner körperlichen Grenze ausgehe (z. B. ist die Zeichnung ‘N° 15′ 512 x 256 cm groß und mit Kuli auf Papier gezeichnet – siehe Foto unten) verhalte ich mich während des Schneidens in Holz oder Linolplatten spielerisch, gehe keiner Vorlage nach. Manchmal nehme ich das Schneidewerkzeug zur Hand ohne eine Idee im Kopf. Dabei entstehen oft die besten Bilder.Maria Mathieu - N 15Du kommunizierst zumeist über Zeichnung und Druckgrafik. Warum?

Diese Freiheit des Ausdrucks und im Gegensatz dazu die Strenge des Konzepts mit seinen körperlichen Grenzüberschreitungen reizt mich und befriedigt mich sehr.

Wie war es für dich die erste Künstlerin im Atelierhaus von GAP zu sein?

In Glurns kam ich ebenfalls in eine Ausnahmesituation: Die Bauarbeiten waren noch nicht soweit fortgeschritten, dass ich einziehen konnte. Ich quartierte mich in Bozen in eine Pension ein und arbeitete in ‘kleinen Formaten’. Bozen ist eine lebendige  Stadt und das kleine Format war eine neue, künstlerische Herausforderung für mich.Marienlied - Maria MathieuWomit hast Du Dich im Atelierhaus in Glurns beschäftigt? Welche Erfahrungen hast Du gemacht – mit Nachbarn, der Stadt, der Umgebung?

Am 1. Juni begann mein G.A.P.-Aufenthalt zunächst noch in einem  Provisorium, denn  die Endarbeiten für die Eröffnung des Hauses und der Galerie liefen auf Hochtouren. Künstler sind ja immer auch Handwerker und ich half gerne bei den letzten Auf- und Ausräumarbeiten mit. Dabei fand ich in einem alten Wandschrank eine Tonspurrolle, Marke Grundig von ca. 1970, und da das GAP jetzt in einem alten Pfarrsaal untergebracht ist, außerdem noch alte Kirchenmessbücher, Liederbücher u. ä.
Aus diesen Fundstücken habe ich eine Wandinstallation gefertigt. Dazu befragte ich zwei Wochen lang verschiedene Glurnser über ihren Pfarrsaal. Darüber, was sie mit ihm verbinden. Sie erzählten begeistert von ersten Tanzbällen, von Bandproben, Theaterstücken, Filmvorführungen und Sportveranstaltungen der letzten 40 Jahre. Ich besuchte eine Marienandacht, von Frauen vorbereitet und durchgeführt und stöberte in der Stadtbibliothek.
Am Ende hatte ich ein gelungenes Kunstwerk und es gab immer mehr Glurnser Frauen, die mich lächelnd grüßten. Mein Rundgang am Morgen und am Abend um die Glurnser Stadtmauer war zu einem täglichen Ritual geworden.

Was unterscheidet das GAP-Atelierhaus von anderen? Oder sind alle ziemlich gleich?

Glurns war mein 4. Residenzstipendium. Es unterschied sich von den vorherigen durch begeisterte, junge Leute, die mit großer Heimatliebe ihr Projekt GAP zum 2. Mal initiierten und von mir allen Respekt dafür bekommen. Tägliche Besuche in der GAP-Küche, Gespräche über Kunst und die Geschichte Südtirols und dessen heutiger Situation, gemeinsam essen, kochen und essen bis in die Nacht und besonders ein gemeinsames Arbeiten sind die Ausnahme eines Residenzstipendiums. 

Was hast Du mitgenommen?

Das habe ich sehr genossen und es hat mein Denken wieder geöffnet.

www.mariamathieu.de

Die nächste Ausstellung im Atelierhaus in Glurns zeigt GAP übrigens am 20., 21. und 22. Juli 2013 diesmal mit dem Künstler Julio Urrego, Columbien/Carrara, und dem Architekten Daniele Capra, Prad am Stilfser Joch/München.  www.glurns-art-point.com

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