Music

June 10, 2013

David Hebenstreit aka Sir Tralala, UploadSounds special Jury-Mitglied: ”Äpfel mit Birnen fair vergleichen“

Kunigunde Weissenegger
Der Komponist, Produzent und Musiker im Interview über die Bedeutung von Musik und Bühne, die künftige Entwicklung seiner und der Musik im Allgemeinen, Lieblingssounds, ”Das Goldene Stück Scheisse“ und und und...

…lange Einleitungstexte sind sowieso fad, interessant ist doch, was Herr David Hebenstreit aka Sir Tralala uns hier zu sagen hat. Also nur kurz zu ihm, damit ihr anfangs minimal wisst, mit wem ihr es zu tun habt: Er kommt aus Österreich, musiziert, komponiert – auch Filmmusik, wie für den bei den 25. Bozner Filmtagen ausgezeichneten Film ”Die Vaterlosen“, produziert, coacht, djt, kuratiert, doziert und ist als David Hebenstreit oder in Person der Kunstfigur Sir Tralala bereits an die 1.000 Mal aufgetreten. Und ausserdem sitzt er als Special-Mitglied in der Jury des UploadSounds Festivals 2013. Und nun das Wort an ihn, himself…

Du bist als Special-Jury-Mitglied zum UploadSounds Festival geladen. Was zeichnet deiner Meinung nach gute Musikerinnen und Musiker aus?

Prinzipiell denke ich, dass Musik vor allem eine kunstvolle Form der Kommunikation und eine erweiterte Möglichkeit ist, sich auszudrücken. Dabei kommt es nicht darauf an, ein Instrument perfekt zu beherrschen, sondern mit den gewählten Ausdrucksmöglichkeiten gut umzugehen. Man muss keine klassische Ausbildung absolviert haben, um etwas musikalisch zu transportieren. Es kann sein, dass ein Künstler, der gerade mal einige Akkorde auf der Gitarre spielen kann, das Publikum mehr fesselt als ein studierter Jazz-Musiker, der die Theorie perfekt beherrscht. Und die Frage ist auch, welchen Zweck die Musik erfüllen soll. Ein Pianist, der sich auf Franz Liszt spezialisiert hat, und einen Klavierwettbewerb nach dem anderen gewinnt, wird sich schwer tun, ein Rave-Event anzuheizen, obwohl er ein guter Musiker ist. Die Beurteilung eines guten Musikers ist also sehr vom Kontext abhängig, und ausserdem etwas subjektives. So gesehen sind auch Bandwettbewerbe schwierig, da eine rein objektive Beurteilung nicht stattfinden kann, auch wenn die Jury ihr Bestes gibt. Wir stehen vor der absurden Aufgabe, Äpfel mit Birnen fair zu vergleichen, und ich hoffe, dass sich auch die Teilnehmer des Wettbewerbes bewusst sind, worauf sie sich hier einlassen.

Auf der Startseite deiner Website steht “MUSIC!! composer. producer. performer”. Was bedeutet dir Musik? 

Musik prägt meine berufliche Identität und mein gesamtes Leben. Mein emotionales und mein intellektuelles Leben. Musik spielt bei mir als Rezipient vor allem auf der Ebene der Empfindungen. Als Schaffender, aber auch sehr im rationalen Bereich, sei es, weil ich mein Gehirn benutzen muss, um ein kompositorisches Problem zu lösen, oder weil ich im Bereich der Produktion oft sehr technisch vorgehen muss, um ein entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Musik hat somit auch einiges mit Physik zu tun, und wenn man sich die Inhalte ansieht, dann auch mit Metaphysik und Philosophie. Und wenn man Musik auch noch in den kulturellen Kontext stellt, gewinnt diese noch mehr an Bedeutung. Musik spiegelt die Gesellschaft wider, und Musik hilft somit auch, Geschichte zu verstehen. Musik kann auch politisch agieren, ausserdem spielt Musik wirtschaftlich gesehen eine Rolle, und es ist interessant, zu beobachten, anhand welcher verschiedenen Modelle sich erwerbstätige Musiker, ihren Lebensunterhalt finanzieren. 

 Wer ist Sir Tralala? Was erlebt, wer ihn bucht?  

Sir Tralala ist eine Kunstfigur, die ich mir ausgedacht habe. Ich benutze diese Figur, um mich musikalisch mit Dingen auseinanderzusetzen, die mich interessieren. Weil Sir Tralala auf der Bühne und in der Öffentlichkeit steht, ist es auch möglich, anhand dieser Figur Inhalte zu reflektieren. Manchmal geht es um Dinge, mit denen ich mir selbst nicht sicher bin, und dann hilft mir die Auseinandersetzung, eine Sprache zu finden, was nicht bedeutet, dass Sir Tralala meine eigene Sprache sprechen muss. Sir Tralala hilft mir aber auch dabei, Entscheidungen zu untermauern und er kann auch Dinge ansprechen, die man vielleicht sonst nicht unbedingt wahrhaben will, und er kann dabei provokant sein. Die musikalischen Stilmittel, die ich dabei verwende sind unterschiedlich und auch projektorientiert. Früher habe ich viel mit elektronischen und psychedelischen Elementen gearbeitet und diese gerne mit ekstatischen durchkomponierten Dramaturgien verbunden. Ich kann aber auch Popsongs für Sir Tralala produzieren, oder nur ganz einfach mit Gitarre und Gesang auf der Bühne stehen. Ich habe jedoch auch durchkonzeptionierte Musik für ein ganzes Sinfonieorchester in meiner Schublade. Wenn ich mit der Band auf der Bühne stehe, ist die Musik sehr emotional, manchmal auch zornig. Und in allem findet sich auch immer eine gute Portion von anarchistischem Humor.

Was schätzt du, wohin geht’s mit der Musik in Zukunft – allgemein und mit deiner?

Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich kann es musikalisch nichts Neues geben, denn es ist schon lange möglich, jede Art von vorstellbarem Sound künstlich zu erzeugen. Alles, was in Bezug auf Klangerzeugung an Technik mittlerweile neu entwickelt wird, sind eigentlich Spielereien oder neue Verpackungen von etwas, das es schon gibt. Da Musik jedoch ein Teil kultureller Identität ist, wird sich die Musik mit der Gesellschaft mit entwickeln und deren Entwicklung inhaltlich entsprechend ausdrücken. Es wird sich vielmehr die Wahrnehmung von Musik ändern, als die Musik selbst. Andere wichtige Veränderungen, die Auswirkungen auf die Musik haben, sind die Veränderungen im produktionstechnischen Bereich und in der Verbreitung von Musik, was sich bisher vor allem auf den musikwirtschaftlichen Bereich ausgewirkt hat, und weiter auswirken wird. Die Strukturen sind in allen Bereichen vielfältiger geworden und die Werkzeuge, die zur Verfügung stehen, sind mittlerweile für viel mehr Menschen zugänglich. Auch musikurheberrechtliche Fragen sind im Zuge dessen immer ein Thema. Wie jedoch die Zukunft genau aussehen wird, kann ich nicht sagen.
Meine eigene Musik betreffend werde ich das tun, was ich immer mache. Ich suche nach Möglichkeiten, eigene Projekte umzusetzen, ich mache Auftragsarbeiten und Kooperationen mit anderen Künstlern, und ich stärke mein Arbeitsfundament, damit mich der Wind nicht umweht.

Und mit sogenannten Music Contests?

Solange es Musiker und Publikum gibt, die sich für Contests interessieren, wird es auch Leute geben, die diese veranstalten.

Was kannst du stundenlang hören?

Das Rauschen des Waldes.

Du bist auch Coach und Dozent. Was bringst du deinen Schützlingen als erstes bei?

Das ist verschieden. Als erstes versuche ich herauszufinden, was die Leute eigentlich von mir wollen, oder was sie brauchen. Und dann schau ich, ob mich das interessiert, ob ich das in Ordnung finde und ob ich überhaupt in der Lage bin, weiterzuhelfen.
Als konkretes Beispiel: Die letzte Albumproduktion, die ich gemacht habe, war gemeinsam mit einer achtköpfigen Band. Die haben jemanden gesucht, der Ordnung in das Chaos bringt, und sie so durch den Produktionsprozess führt, dass sie sich auf das musikalische Schaffen konzentrieren können. Also habe ich alles organisiert,  angefangen von der Kalkulation des Budgets, bis zur Organisation der Tonstudioressourcen. Ich bin mit der Band in den Proberaum gegangen, wir haben gemeinsam das Programm für die Aufnahmen überarbeitet und geschaut, dass wir fit für’s Tonstudio werden, damit wir die Aufnahmen in der vorgesehen Zeit abschliessen können. Mein Job war es auch, die Leute davor zu bewahren, dass sie sich verzetteln. Ich habe die Band auch in Fragen des Arrangements unterstützt und Konzepte für den Mix gemacht, und im Rahmen meiner Vormischungen gemeinsam mit der Band den Sound gefunden. Dann bin ich wieder ins Studio gegangen und habe mit dem Techniker das Album gemischt. Manchmal musste ich auch künstlerische oder ästhetische Entscheidungen treffen, wenn sich die Band nicht einig war, und deren Diskussionsprozess zulange dauerte.

Kennst du die Tiroler, Südtiroler und Trientner Musikszene? Wie schätzt du sie ein?

Ich habe einige kleinere Konzerte in Innsbruck gespielt und kenne ein paar Leute vom Verein Innpuls, mit denen ich hin und wieder zusammenarbeite, und deren Tätigkeiten sich nicht nur auf musikalische Bereiche beschränken. Diese Leute sind sehr enthusiastisch und haben auch eine Liebe für die Projekte, mit denen sie arbeiten. Leider weiss ich um die Musikszene in der Gegend nicht viel Bescheid, ich würde aber gerne mit meiner Band auch einige Konzerte in Südtirol spielen. Ausserdem habe ich mit einem befreundeten Tiroler Musiker eine geheime Organisation gegründet, wir nennen uns „Die Hüter des Rock ‘n’ Roll“, wo wir im verborgenen für die guten Werte des Rock ‘n’ Roll arbeiten. Diese Gruppe ist eine moralische aber auch ironische Angelegenheit und jeder von uns verbindet seine individuellen Werte mit dem Begriff des Rock ‘n’ Roll. Wir haben uns übrigens auch überlegt, einen Contest zu veranstalten. Einen Contest, wo wir als Hauptpreis ”Das Goldene Stück Scheisse“ verleihen, und zwar soll dieser Preis an rücksichtslose, solipsistische, egomanische, anarchokapitalistische Musikwirtschaftssoziopathen verliehen werden. 

www.hebenstreit-david.net
www.facebook.com/SirTralala.connected
Digital Album auf Amazon hier
www.uploadsounds.eu

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.