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November 7, 2012

der Kniefall

Horst Moser

Die Frage, weshalb man jemanden als seinen Vertreter wählen soll, wenn dessen Entscheidungen (so er überhaupt bereit ist, eigene zu fällen) bei weitem nicht jene Umsetzungsgewalt haben, wie sie Lobbyisten oder andere Einflussnehmer besitzen, vertreibt nicht nur Hierzulande vielen Wahlberechtigten die Laune, sich an einer gesellschaftspolitischen Gestaltung zu beteiligen. Erklären lässt es sich nicht so einfach, etwas begreiflicher machen vielleicht, aber das ist auch schon alles: Eine der Voraussetzungen, um sich innerhalb gewisser Systeme zu bewegen, ist die Bereitschaft, sich zu unterwerfen, bildhaft deutlich am Ziehen des (Tiroler) Hutes erkennbar. Dieser Kniefall, wie er nicht nur im klerikalen, sondern besonders im beamtenpolitischen Umfeld häufig zu beobachten ist, kann durchaus von Vorteil sein, denn nicht wenige der devot dargebotenen Bittanträge finden Gehör. Dass dabei manchmal die grunddemokratischen Prinzipien niedergetrampelt werden, wie die unglücklichen Teilnehmer einer Corrida, wird in Kauf genommen, oder sagen wir, als zweckmäßig empfunden. Sobald aber Machenschaften zweifelhafter Natur bekannt werden und Schlämme an die Oberfläche drängen, tritt zeitgleich ein Kuriosum zutage, das sich bestenfalls als Verdrängungsverhalten bezeichnen lässt, denn die Verantwortung für die offensichtlichen Missstände tragen plötzlich nur einzelne, und schließlich findet sich auch bald das bekannte Bauernopfer, also jemand, der seinen Kopf hinhält oder hinhalten muss. Wie bereits schon einmal erwähnt: Bestraft werden immer die Bestrafbaren, niemals die Schuldigen. Und weil es so nahe liegt (in mehrerlei Hinsicht), sei als Beispiel ein österreichisches Bundesland erwähnt, wo gerade ein tief verschmutztes System langsam durchforstet wird, Gerichte sich um die Aufklärung illegaler Verstrickungen bemühen, ein Teil der Bevölkerung aber allen Ernstes (und nüchtern) immer noch behauptet: Früher (oder mit dem so und so) wäre das nicht passiert! Es sind Sätze wie dieser, die all jene freisprechen, die bestimmte Praktiken geboren und verkörpert haben, und es sind Einstellungen wie die genannte, die den Boden bereiten, um weiter Schlamm zu produzieren, zu verteilen, dies zu entschuldigen, die Augen dabei verschließend und den Satz hinterherwerfend: So schlecht geht es uns doch gar nicht! Na dann, alles beim Alten.

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