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October 25, 2012

Cr4ypto-Zanotti

Maximilian Lösch

Erst vor Kurzem habe ich mich mit dem Künstler Lukas Zanotti getroffen und er hat mir von seiner letzten Arbeit in Bozen erzählt. Es handelt sich um eine versteckte Arbeit: Er hat Drucke in Büchern der Bibliothek der Uni Bozen versteckt und dem Zufall überlassen… Jeder kann mit diesen Werken machen, was er möchte… Jetzt aber zum Gespräch mit Lukas. Wir saßen im hinteren Teil des Nadamas, dort wo es etwas ruhiger ist.

Wie bist du denn vorgegangen?

Ich habe die Bücher zufällig ausgewählt, die ich mit meinen Werken versehen habe. Es bildet sich eine besondere Situation. Die Seiten zwischen denen die Bilder versteckt sind, werden zur Galerie, sie beginnen einen Dialog mit den Werken. Die Verbindungen zwischen den Werken und den Seiten können völlig zufällig entstehen, in manchen Fällen habe ich sie auch bewusst gewählt. Es entsteht eine Interaktion zwischen den Werken, den Büchern, der Bibliothek und dem Besucher. Die ganze Aktion ist illegal und so wird auch die “Nutzung” der Werke illegal, jeder, der so ein Werk findet, kann mit ihm machen, was er will und wenn es gefällt, auch mitnehmen.

Wie, glaubst du, werden diese Werke gefunden?

Ich glaube, dass die Werke eher zufällig gefunden werden, als dass jemand bewusst danach sucht.
Ich habe die Werke für einen Künstler immer als ein Werkzeug gesehen, um etwas Bestimmtes zu machen, und wenn der Zweck erfüllt ist, dann muss man es einfach gehen lassen und so auch hier. Wenn jemand zufällig darauf stößt, kann man vielleicht meinen, dass es ein Lesezeichen ist, das jemand vergessen hat oder etwas Ähnliches. Dieser Zufall ist auch als Überraschung zu verstehen, man wird überrascht und das ist, glaube ich, eines der Merkmale eines Kunstwerkes, man entdeckt etwas Neues, man wird erstaunt.
Es erinnert mich auch an meine Kindheit. Im Keller meiner Großeltern war ich oft und habe alte Bücher durchstöbert und bin auf alles Mögliche gestoßen, ein getrocknetes Edelweiß, Notizblätter… Es sind Zeugnisse von anderen Menschen, wodurch man auch etwas über sich selbst verstehen kann… Ich hatte noch nicht daran gedacht, aber dieses Werk verbindet mich mit meiner Kindheit. Es passiert mir sogar manchmal selbst, dass ich in meinen Büchern Zettel oder andere Sachen wieder finde, die ich vor vielen Jahren dort vergessen habe.

Man könnte doch auch mal, um den Gedanken der Illegalität weiter zu spinnen, in ein Haus eines Fremden gehen und dort in den Büchern Botschaften hinterlassen… (beide lachen)

Diesen Sommer habe ich so etwas Ähnliches gemacht, ich habe mich als Arbeiter der Gemeinde verkleidet, mit einer reflektierenden Weste, und habe an den Plakatflächen der Stadt Werke von mir angekleistert. Und das Interessante war, dass niemand mich auch nur angesprochen hat oder mich komisch beobachtet hat. Es war lustig, und man sieht, was für eine starke Bedeutung in unserer Gesellschaft Uniformen haben. Diese Bedeutungen haben sich so tief in das Bewusstsein der Leute gebrannt, dass man damit legitimiert ist, sehr vieles zu tun. Die konkrete Realität und die virtuelle Realität sind völlig verschmolzen… Wenn jemand schreit, weiß man nicht mehr, wie man sich verhalten soll – ist das nun Wirklichkeit oder nur Fiktion?

Dein Werk befindet sich außerhalb der Galerien…

Es besteht allgemein die Tendenz, die Kunst aus den Galerien raus zu bringen. Die Wahrnehmung der Kunst hat sich stark verändert, im Vergleich zur Vergangenheit, wie sie geschaffen wird und wie sie wahrgenommen wird. Die Kunst selbst hat sich stark verändert, die Mittel, die man nutzt. Heutzutage ist das beste Kommunikationsmittel das Internet, so wie Franzmagazine, z. B. Das ist die neue Realität… In den 80ger Jahren existierte man, wenn man konsumierte, heutzutage existiert man, wenn man das Internet konsumiert. Sicherlich sinkt die Qualität, viele Sachen werden nur sehr oberflächlich angeschnitten, wenn man sich mit etwas genauer beschäftigen will, musst du dich engagieren, Menschen ausfindig machen, Bücher lesen etc.

Die Kraft des Internets liegt sicher im Vernetzen und im Verbindungen Schaffen, aber nicht so sehr im Inhalt, der ist meistens schwach…

Es wäre auch interessant, um meine versteckte Ausstellung weiter zu führen, sich in eine Webseite zu hacken und dort Botschaften zu verstecken, im Gesundheitsministerium, z. B., zwischen Statistiken usw. Aber dafür reichen meine technischen Kenntnisse nicht aus.
Aber ich glaube, es ist etwas Anderes, wenn man etwas Physisches vor sich hat, wenn man ein Buch in der Hand hält. Mit dem Buch passiert etwas, im Internet hätten die Bilder einen viel kleineren Effekt, alles ist so flüchtig, und zu einem Einzigen verschmolzen, das Andere, Andersartige sticht dort nicht heraus. In einem Buch erkennst du sofort die Individualität des Werkes, in einem realen Kontext hat es einen Sinn.

Hat dich eigentlich jemand beobachtet oder bist du jemandem aufgefallen, während du die Bilder in den Büchern der Bibliothek der Universität versteckt hast?

Ich war recht diskret, ein paar lernende Studenten, haben mich beobachtet, niemand hat mich gesehen und niemand hat mich aufgehalten.

So, vielleicht zum Abschluss noch eine Frage: Woran arbeitest du gerade und was sind deine Zukünftigen Projekte?

Gerade arbeite ich mit dem “Istituto Italiano di Patafisica” zusammen. Die Verantwortliche hat mich kontaktiert. Sie übersetzt gerade einen Text von Alfred Jarry zum Bau einer Zeitmaschine. Und sie hat mich gefragt, ob ich einige Zeichnungen und Texte zum Thema Zeit machen könnte, welche dann im “Quaderno di Patafisica” veröffentlicht werden. Und mit dem Institut gibt es nächstes Jahr eine kollektive Ausstellung in Paris, da wurde ich auch eingeladen, etwas auszustellen.
Ich habe mich ahnungslos als Pataphysiker wieder gefunden, die Verbindung ist über das gemeinsame (von mir und der Verantwortlichen des Instituts) Interesse für Alchemie zustande gekommen.
Und dann arbeite ich noch an einer Serie von Pastellzeichnungen, die ich zu einem Gedicht von mir anfertige. Das Gedicht hat ein tibetische Vorstellung zum Thema; ein Krug, der sich, je mehr man ihn entleert, immer mehr füllt. Ein alchemistischer Krug, der die Verbindung der Gegensätze darstellt, welche so oft in den östlichen Philosophien vorkommt. Das Gedicht habe ich in Pseudotibetanisch mit Hilfe eines Wörterbuchs geschrieben und auch auf Italienisch übersetzt. Im Tibetaischen hat mich vor allem der Klang bestimmter Wörter geleitet.

Vielen Dank für das schöne Gespräch.

Und? Habt ihr schon etwas gefunden? – Braucht ihr Hinweise?

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