Music

October 19, 2012

Eugenio Bennato mit “Questione Mediterranea” live im Treibhaus Innsbruck

Marco Russo

Im Lied „in viaggio“ der Band CSI aus der LP Ko del Mondo (1993), singt Giovanni Lindo Ferretti:

strisciano verso il ritmo i tarantolati
schiacciato dallo spazio senza tempo

Diese Verse drücken meines Erachtens das aus, was „tarantismo“ oder „tarantolismo“ in seiner archaischen Form ist: Anziehung – Ekstase – Transformation. Man erzählt sich, dass sobald jemand vom giftigen Biss der Tarantel gebissen wird, in einem tranceähnlichen und hysterischen Zustand fällt und nur mittels einer bestimmten Musik in die Normalität zurückgeholt werden kann. Beim Hören der Schläge eines Tamburellos, den hektisch-fiedelnden Melodien einer Geige, der Rhythmik der Gitarre und den dementsprechenden Gesängen, soll der oder die Gebissene sich im Tanz vom Gift reinigen. Man fühlt sich von der Musik angezogen, gerät tanzend in Ekstase und wacht gereinigt auf.

Die Ursprünge des Tarantismo sind in den dionysischen Mysterienkulten der Antike ausfindig zu machen. Als das Christentum sich allmählich verbreitete, wurde dieser Brauch „inkulturalisiert“ und einem christlichen Interpretationshorizont zugeführt. Die Tranatolati erhielten dann ihren eigenen Schutzpatron, den heiligen Paul aus Galatina, einer kleinen Ortschaft im Salento:

Ah i Santu Paulu meu de le tarante
Pizzichi le caruse, a mezzu l’anche
E santu Paulu meu te le tarante
pizzichi le caruse tutte quante
Santu Paulu meu de Galatina
Famme ‘na grazia a mia ca’ sun la prima

Im 17. Jahrhundert führte der deutsche Gelehrte und Jesuit Athanasius Kircher (1602–1680) eine Reise nach Apulien durch und blieb von diesem Brauch fasziniert. Ihm ist es zu verdanken, dass zuerst nur mündlich überlieferte Gesänge und Musikstücke niedergeschrieben und bis in den heutigen Tag hinein erhalten geblieben. Im 21. Jahrhundert scheinen die Exorzismus ähnlichen Fälle verschwunden zu sein. Was jedoch geblieben ist, ist ein genuiner Umgang mit der alten volkstümlichen Tradition der unterschiedlichen musikalischen Formen der Tarantella.

Zahlreiche Musik- und Tanzgruppen erhalten die Tarantella und Pizzica am Leben, bemüht, nicht nur das alte Liedgut den jüngeren Generationen zu vermitteln, sondern auch, an den ursprünglichen Rhythmen orientiert, diese zeitgemäß und experimentierfreudig in die Gegenwart zu transportieren.
Seit den 1990er Jahren zählt der neapolitanische cantautore Eugenio Bennato (Bruder von Edoardo Bennato) zu den wichtigsten Trägern und Interpreten dieser Musikrichtung. Unter dem Stichwort „Taranta Power“ tourt Bennato seit den 1990er Jahren mit einem Musikerensemble durch die Welt und organisiert diverse Kultur- und Filmveranstaltungen zur Taranta.

Am 24. Oktober 2012 ist Eugenio Bennato im Treibhaus in Innsbruck zu Gast und wird sein neues Musikprojekt „Questione Meridionale“ (Taranta Power/Cramps Music) präsentieren. Die Veranstaltung wird vom Verein Inn-Contri und dem Italien-Zentrum der Universität Innsbruck in Kooperation mit dem Treibhaus organisiert. Eine Möglichkeit, in den Sphären und Klängen der Tarantella und Pizzica einzutauchen…

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