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January 2, 2012

Ludwig Paulmichl, Folio Verlag: In Zeiten der Krise ist Kultur unabdingbar

Reinhard Christanell

Folio Verlag Bozen/Wien. Seit fast 30 Jahren Synonym für gute Literatur, schöne Bücher, Kunst. Auch für – im positiven Sinn – landbezogene Kultur. Gegründet wurde der Verlag von Ludwig Paulmichl und Hermann Gummerer, die sich auch weiterhin am Ruder des inzwischen im gesamten deutschen Sprachraum zur anerkannten kulturellen Einrichtung gewordenen Unternehmens befinden.

Mit Ludwig Paulmichl beginnt auch eine Umfrage unter den Südtiroler Verlagen über Kultur, Bücher und deren Zukunft.

In Zeiten der akuten Wirtschaftskrise wie jene, die zur Zeit Europa fest im Griff zu haben scheint, betrachten die Regierungen Kultur und alles was damit zusammenhängt als überflüssig. Con la cultura non si mangia, hat es letzthin ein Minister Berlusconis auf den Nenner gebracht. Leidet auch das (lokale) Verlagswesen unter den einschneidenden Sparmassnahmen oder ist man mit Sparsamkeit sozusagen ohnehin vertraut? Verliert man in diesen geldarmen Zeiten zusätzlich Leser beziehungsweise Umsatz?

Ludwig Paulmichl: Ich denke, dass der Buchhandel insgesamt schon etwas leidet an unseren derzeitigen Sparerfordernissen – die Zahlen vor dem Weihnachtsgeschäft, was die Buchhandelslandschaft in Deutschland, Österreich und Schweiz anbelangt, aber auch in Italien, lassen dies vermuten. Warten wir das Ergebnis des Weihnachtsgeschäftes ab.
Ich denke aber, dass gerade in Zeiten der Krise Kultur unabdingbar ist, um auf die Probleme zu reagieren. Und das Buch oder die Inhalte des Buches sollten uns begleiten beim Nachdenken und beim Entscheiden – ein Porsche oder eine fremdfinanzierte Yacht, wie jene des engsten Beraters des früheren italienischen Finanzministers, führen uns sicher anderswo hin als zur Lösung von sozialen und wirtschaftlichen Problemen.

Man spricht schon seit Jahren von der Vergänglichkeit des Buches als „Gegenstand“ und von der unaufhaltbaren E-Book Ära, die ja die den Markt, das Verhältnis zwischen Autor und Leser total umkrempeln soll. Wie sehen Sie als Verleger die Situation? Haben Sie sich auf das Neue vorbereitet? Sind Sie an E-Books interessiert?

Ich denke, das E-Book ist nur ein anderer Träger von Inhalten, die bisher in Buchform dargeboten wurden. Sicher wird das E-Book Marktanteile gewinnen und genauso wie die Online-Shops eine Konkurrenz für den klassischen Buchhandel darstellen.
Aber das klassische Buch wird es weiterhin geben; welche Inhalte mit dem klassischen Buch dann bevorzugt weitergetragen werden, wird sich erweisen. Ganz sicher werden fachspezifische Inhalte eher durch elektronisch lesbare Medien verbreitet und für die Arbeit genutzt werden.
Folio wird sich den neuen Trägern seiner vertriebenen Inhalte nicht widersetzen. Wir prüfen zur Zeit die für uns gangbarsten Varianten.

Folio ist ja in Südtirol und auch im deutschsprachigen Raum zu einem Begriff geworden. Das rührt nicht zuletzt daher, dass Sie gewissermaßen mit gespreizten Beinen dastehen, einen Fuß in Bozen, den anderen in Wien. Wie lebt man in dieser Stellung? Sind das zwei getrennte Welten oder gibt es gemeinsame Ebenen? Wie ist die Lage des Verlagswesens in Österreich?

In zwei Welten leben heißt, etwas mehr Multitasking betreiben. Das hält fit und kann bereichern. Das Programm, das der Verlag macht, ist das Verbindende zwischen den zwei Orten. Mein Kompagnon Hermann Gummerer und ich sind beide Südtiroler und haben in Wien studiert, das heißt, wir haben die unterschiedlichen Zugänge an beiden Orten als Bereicherung erfahren – in Wien und in Österreich wird Kultur als identitätsstiftendes Moment sehr großgeschrieben, was für einen kleinen Staat sehr wichtig ist.
Die Vorzüge in Südtirol liegen sicher in einer bislang prosperierenden Region, die touristisch wahnsinnig ansprechend ist und daraus manchmal fast zuviel seiner Sinnstiftung bezieht. Darüber hinaus ist Südtirol ein international beachtetes Labor für die Entwicklung von Lösungsansätzen im Zusammenleben mehrerer Ethnien. Ein Thema, das weltweit stets virulent ist.
Zum Verlagswesen in Österreich: Es gibt in Österreich eine sehr lebendige Verlagsszene mit sehr renommierten Verlagen.
Allerdings sind österreichische Verlage kleine Einheiten auf dem großen deutschsprachigen Buchmarkt; deren Bemühung ist es, im deutschen Buchmarkt insgesamt zu reüssieren und wahrgenommen zu werden – das ist sehr aufwändig und kosten- und kommunikationsintensiv. Für literarisch ausgerichtete Programme gibt es darum eine Verlagsförderung des Kunstministeriums, die helfen soll, die Randständigkeit im großen Markt etwas auszugleichen.

Folio hat ein gemischtes aber doch klar erkennbares Verlagsprogramm. Literatur, Kunst, qualitativ hochwertige Wanderführer und so weiter. Außerdem haben Sie mit De Cataldo und vor allem Zanzotto zwei italienische Schwergewichte im Katalog. Wie leicht – oder schwer – ist es, mit diesen „Waren“ auf dem total überfüllten Büchermarkt zu bestehen? Haben Sie einen definierten Leserkreis? Welche Auflagen erreichen Sie?

Die verschiedenen Programmsegmente sprechen natürlich verschiedene Leserschichten an und sie sind im Buchhandel unter ganz verschiedenen Warengruppen zu finden. Da unser erster Kunde der Buchhändler ist, ist es sehr wichtig, sich innerhalb dieser Warengruppen zu profilieren. Das ist nicht immer sehr leicht.
Im Segment mit den Südtirolführern haben wir eine gute Positionierung erreicht und haben uns beim Endkunden einen guten Ruf erworben. Der Härtetest ist da vor allem: Was sagen die Südtiroler selber, wie nehmen sie diese Führer an? Wenn das gelingt, ist es die beste Werbung, und damit überzeugen wir auch auch die ausländischen Buchhändler.

Seit Frühjahr 2011 haben wir eine neue Reihe begonnen, die eine Scharnierfunktion einnehmen soll zwischen den Führern und den literarischen Titeln. Wir haben eine essayistisch-literarische Reisezweitbuch-Reihe begonnen, die vor allem Kleinregionen in Österreich, Norditalien, Süddeutschland, Schweiz beschreiben soll, als Erkundung, die man gemeinsam mit einem Autor macht. Diese „55 Reiseverführungen“ sind von namhaften Literaten oder Kulturjournalisten verfasst und sehr benutzerfreundlich aufgemacht.

Zum Literaturprogramm: Das Kernstück ist sicher die Reihe Transfer. Von Beginn an haben wir stets Literatur aus europäischen Ländern übersetzt und neben deutschsprachige Autorinnen und Autoren gestellt. Etwa Bücher von Pier Paolo Pasolini oder John Steinbeck, Michael Hamburger oder Norman Lewis neben die Bücher von Maria Brunner, Anita Pichler oder Martin Kubaczek.
Eine wirkliche Herausforderung war aber die kulturelle Vermittlung während des Balkankriegs – gegen ethnische Konflikte, für die Stimmen der Vernunft. Als noch Kriegshandlungen auf dem Balkan im Gange waren, haben wir Bücher von bosnischen, slowenischen, kroatischen und serbischen Autoren verlegt, viele junge Autoren waren darunter, die von ihrem jeweiligen Land erzählten, vom Zusammenleben und vom Wahnsinn der ethnischen Überspitzung.
Wichtig war es, diesen Autoren in ihren Ländern von außen, von Österreich her und von Deutschland, Gewicht und Gehör zu verschaffen über Rezensionen und Lesungen – es waren Bücher von so namhaften Autoren wie Zoran Feric, Drago Jancar, Miljenko Jergovic, Anthologien mit Freimut Duve von der OSZE und vielen anderen mehr.

Und natürlich ist uns das Übersetzen von italienischer Literatur ein Anliegen: Die neunbändige Edition der Werke von Andrea Zanzotto ist mittlerweile auf vier Bände angewachsen. Von Vincenzo Consolo sind bisher drei Bücher übersetzt, Giuseppe Zigaina wollte einen dritten Band über Aquileia verfassen. Und Giancarlo De Cataldo, der Star der italienischen Krimiszene, kommt in diesem Frühjahr mit einem dritten Buch bei uns auf Deutsch.

Was haben Sie für das kommend Jahr 2012 auf Lager? Wird es auch für Südtiroler Autoren Platz geben?

Was die Südtiroler Autoren betrifft, sind wir im Rahmen unserer Programmproportionen sehr rührig. – Worüber ich persönlich mich sehr freue, ist der Gedichtband der Abteitalerin Roberta Dapunt „Nauz“, auf Ladinisch und Deutsch (in der Übersetzung von Alma Vallazza), begleitet von ihren Fotografien, der im Frühjahr erscheinen wird.
Ein großer wichtiger Roman von Herbert Rosendorfer ist in Vorbereitung und im Herbst soll ein feiner neuer Gedichtband von Luis Stefan Stecher den Südtiroler Reigen ergänzen. Ob wir noch eine Überraschung in der Hinterhand haben, verraten wir nicht.

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